Triest: Schmelztiegel der Süßspeisen

Weihnachtsgebäck aus Triest

Ganz genau wie die Triester Küche im Allgemeinen ist auch die lokale Konditorküche eine faszinierende Mischung aus jenen Einflüssen, die die multikulturelle Identität der Hafenstadt prägen. 

von Georges Desrues

Selbstverständlich gibt es auch hier wie überall anders Süßspeisen, die zu bestimmten Anlässen gebacken und gegessen werden. Darunter etwa die Pinze, ein traditionelles Ostergebäck aus Germteig, das ursprünglich aus dem Friaul stammt und sich von dort über den gesamten Alpe-Adria-Raum inklusive Slowenien, Österreich, Istrien und Triest verbreitete. 
Von ihr heißt es, dass sie den Essigschwamm symbolisiere, den ein römischer Soldat dem gekreuzigten Christus reichte. Das Besondere an der Triester Version der Pinze ist, dass sie, anders als in Österreich, nicht ausschließlich in der Osterzeit, sondern das ganze Jahr über und sehr gerne auch zu Weihnachten gebacken und gegessen wird. 

Von der Pinze über den Presnitz bis zur Putizza 

Gleiches trifft auf den Presnitz zu, bei dem es sich ebenfalls um ein Gebäck mit ursprünglich österlicher Symbolik handelt, dessen schneckenähnliche Form die Dornenkronen Jesus widerspiegeln soll. Sein Name leitet sich offenbar vom slowenischen Wort für ungesäuertes Brot ab, wie es auch in der jüdischen Fastenzeit gegessen wird. Überhaupt erinnert das gerne zu den christlichen Feiertagen Ostern und Weihnachten aufgetischte Gebäck, mit seiner Füllung aus gehackten Mandeln und Nüssen, getrockneten Früchten und Gewürzen, stark an Süßspeisen, wie man sie ansonsten aus dem ost- und mitteleuropäischen Raum und dort von der jüdischen Back-Tradition her kennt. 
Die dritte, untrennbar zu Triest gehörende Süßspeise ist die Putizza, die freilich nichts anderes ist als die slowenische Potica beziehungsweise die Kärntner Potitze, also ein gerolltes Germteiggebäck, das verschieden, gern aber mit Walnüssen oder Mohn, gefüllt wird und auf keiner Festtagstafel in Slowenien wie in Triest fehlen darf. 
Österreichischen Ursprungs, wenngleich in dieser Form dort unbekannt, ist der sogenannte „Kranz“. Dabei handelt es sich um ein in den letzten Jahren zunehmend verbreitetes und unter Konditoren in Triest und anderswo in Italien stark angesagtes Gebäck in Form eines Stritzels, der aus miteinander verflochtenem Brioche- und Blätterteig besteht und beliebig, etwa mit kandierten Früchten, Marmelade, Topfen, Schokolade und Ähnlichem garniert werden kann. 

Weihnachten ohne Panettone – undenkbar!

Schließlich ist man aber auch in Italien, und so ist eine Weihnachtszeit ohne Panettone hier wie überall im Land gänzlich undenkbar. Bereits gegen Ende Oktober türmen sich in Supermärkten wie Despar oder Coop genau wie in den Autogrill-Raststätten Pyramiden von grellbunten Schachteln bekannter Marken wie Motta, Alemagna, Bauli oder Tre Marie. Die großen Discounter-Ketten indessen präsentieren Eigenmarken mit goldfarbenen Sternen und Engeln darauf, während exklusive Feinkostläden oder Nobel-Supermärkte wie Eataly auf Recyclingpapier, Zwirn und Retro-Design setzen. 
Und dann sind da noch die Starköche und -konditoren, die seit einigen Jahren und in wachsender Zahl ihre Panettone anbieten. Dass letztgenannte ausschließlich aus besten Zutaten und keinesfalls anonym, seelenlos und industriell am Fließband, sondern, so wie in den vermeintlich guten alten Zeiten, Stück für Stück einzeln, handwerklich und mit viel Liebe gefertigt sind, versteht sich da von selbst.
Italien, Österreich, Slowenien und Balkan: Wie immer fließt in Triest alles zusammen. Und wenn es stimmt, wie es heißt, dass Rezepte und Speisen, genau wie Vögel, keine Landes- und Sprachgrenzen kennen, dann trifft diese Feststellung auf Süßspeisen noch deutlicher zu. Denn die werden in erster Linie zu den Festtagen und zu Feierlichkeiten gegessen. Und gefeiert wird bekanntlich am besten gemeinsam.

Einige nennenswerte Konditoreien:

Pasticceria La Bomboniera, prächtige und traditionsreiche Konditorei, bei der ausnahmslos(!) alle hausgemachten Backwaren aus einem historischen, holzbefeuerten Ofen stammen. Via Trenta Ottobre, 3.

Pirona, elegante Traditions-Konditorei aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende, in der schon James Joyce sein Kipferl in die Melange tunkte. Largo della Barriera Vecchia, 12.

Eppinger Caffè, stets gut besuchte und beliebte Kaffee-Konditorei in der Innenstadt, die seit 1848 tadellose, Triester Backwaren anbietet. via Dante 2/b

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