Ob es nur ein minimaler Trend ist, oder nicht, das Thema ist nun am Tisch: Seit einige Mediziner den alkoholfreien Weg propagieren und ein Teil der Gesellschaft darauf einsteigt, ist auch alkoholfreier Wein ein Thema. 40plus hörte sich bei namhaften Qualitätswinzern und Branchenvertretern um, wie sie diese Entwicklung sehen. Glaubenskrieg wäre jetzt zu überbewertet, die Wege, die gegangen werden, sind jedoch durchaus kontrovers.
Man sollte nicht vergessen, dass es sich um rund 1 Prozent des verkauften Wein handelt, eine Summe, die jetzt nicht so sehr ins Gewicht fällt, so sieht auch Österreich Wein Geschäftsführer Chris Yorke dieses Thema mit einem realistischen Ansatz: „Alkoholfreier Wein ist eine interessante zusätzliche Option beim Weingenuss: Entweder, wenn man aus bestimmten Gründen mal keinen Alkohol trinken möchte, zum Beispiel das Achterl zu Mittag, oder für Menschen, die generell auf Alkohol verzichten.“
Tatsächlich nachhaltig?
Der junge Winzer aus Wagram, Gregor Nimmervoll, versucht seit jeher möglichst unbeeinflusst die Qualität seiner Weingärten in die Flasche zu bringen: „Unseren Weinen durch einen physikalisch-industriellen Prozess den natürlich vorhandenen Alkohol zu entziehen, würde nicht in unser Konzept passen.“ Für Philipp Grassl aus dem Carnuntum liegt in der Erzeugung das Grundproblem: „Die Produktionsweise von alkoholfreiem Wein steht diametral zu allem, was ich als handwerklichen, biologischen und hochqualitativen Weinbau sehe.“
Ähnlich sieht das Florian Masser vom gleichnamigen Weingut in Leutschach: „Entalkoholisierter Wein wird von uns abgelehnt, weil es kein nachhaltiges Produkt ist, wo wir doch so viel Wert auf Umweltschutz, Herkunft und Handwerk legen.“ In die gleiche Kerbe schlagen die Winzer René Pöckl und Philipp Grassl, für die Wein ein reines Naturprodukt ist: „Deshalb kommen Low & No Alcohol Weine für uns nicht in Frage“, so Pöckl. Gernot Heinrich vom Weingut Heinrich sieht im alkoholfreien Wein keine wirkliche Alternative: „Die wenigsten Menschen wissen, dass hier Grundweine nach Deutschland gekarrt werden und unter hohem technischen Aufwand entalkoholisiert werden.“
Der Winzer Reinhold Krutzler verkostete bereits und konnte dem entalkoholiiserten Wein nichts abgewinnen. „Wein soll Wein bleiben. Alkohol ist Geschmacksträger. Beim Rotwein bis 15 %, dann muss Zucker für den Geschmack herhalten. Mir persönlich ist hier ein hochwertiger Traubensaft lieber.“ Philipp Grassl spricht gar von „pappsüßen Säften, technisch verständlich, aber geschmacklich wertlos.“
Die Ernährungslehre spricht hier von Geschmacksträgern: Zucker, Fett, Salz und Alkohol sind die vier essentiellen Geschmacksträger unserer Nahrung, ohne sie ist es schwer geschmacklich zu reüssieren. Um bei entalkoholisiertem Wein ein Geschmackserlebnis hinzubekommen, muss Zucker bis zum Gehalt von 45 g Restzucker/Liter hinzugefügt werden. Das ist in etwa der Wert eines Weins der Kategorie „lieblich“. Hat aber, da so gut wie kein Alkohol drin ist, einen erheblich niedrigeren Kaloriengehalt. Für die Generation-Fitnessstudio hat das so seine Reize.
Der Qualitätswinzer Markus Huber hat den Schritt gewagt und bietet in seinem Webshop mit Layla einen entalkoholisierten Gelben Muskateller an: „Grundsätzlich ist der entalkoholisierte Wein eine Bereicherung, da die Konsumenten zumindest in Bezug zur Produktgruppe Wein bleiben.“ Tom Dockner, der Paradewinzer, bleibt vorsichtig optimistisch: „Sag niemals nie. Im Moment gibt es noch nicht viele entalkoholisierte Weine, die mich überzeugen. Die werden in naher Zukunft immer besser. Ich finde alkoholfreie Produkte als gute und wichtige Bereicherung des Sortiments. Wir hatten im Betrieb schon immer Säfte. Wir sind gerade dabei, mit Mike Nährer ein neues alkoholfreies Produkt zu entwickeln. Man darf gespannt sein.“
Stefan Krispel ist einer der wenigen österreichischen Qualitätswinzer, der mit Zero und Zero fassgereift gleich zwei Produkte am Markt hat, er sieht hier Entwicklungspotential: „Alkoholfreier Wein stellt einerseits ein Risiko für dieses traditionsreiche Produkt dar, bietet andererseits aber auch eine große Chance, wenn es gelingt, die Entalkoholisierung auf ein Top-Qualitätsniveau zu bringen. Mit jeder Charge lernen wir dazu und verbessern kontinuierlich die Qualität.“
Tatsächlich hat es nun auch Italien erwischt. Noch in den letzten Jahren wetterte das italienische Landwirtschaftsministerium gegen den alkoholfreien Wein und wies an, das Produkt ausnahmslos unter Traubensaft zu verkaufen. Nun gab Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida klein bei: Alkoholfreien Wein soll es geben, wenn auch unter gewissen Einschränkungen. Ein rückläufiger Weinkonsum und eine Jugend, die weniger trinkt, machten den neuen Weg schnell klar. Schlussendlich wird die Diskussion wie bei alkoholfreiem Bier versanden. Das wird heute serviert wie Diät-Cola. Als vor rund 40 Jahren das erste alkoholfreie Bier auf den Markt kam, häuften sich in Dorfwirtshäusern hinter den Dresen Karikaturen, wo ein Pferd aus einem Bottich Gösser trank und Sie können sich vorstellen, was es ausschied.
Text: Martin G. Wanko
Alkoholfreier Wein, echt jetzt?
