LR Hans Seitinger: Keine Revolution, sondern eine intelligente Evolution.

Seitinger © Steiermark.at/Streibel

Das letzte Gespräch mit Hans Seitinger führten wir im 40plus vor zwei Jahren. War damals noch vieles von einer gewissen Leichtigkeit geprägt, hat sich in der letzten Zeit ganz einfach viel zugespitzt. Das schöne Wetter hat auch seine Schattenseiten.

40 % aller Lebensmittel werden weggeworfen. Sie haben mir vor zwei Jahren in einem Interview gesagt, dass über eine weltweite Nahrungsknappheit erst nachgedacht werden müsse, wenn die Verschwendung von Lebensmitteln aufhört. Steht das noch?

Diese Zahl ist unverändert, insofern stimmt es noch. Aber die Welt drehte sich die letzten zwei Jahre auch ordentlich. Der Krieg auf der einen Seite, der Klimawandel auf der anderen Seite, lässt uns verstärkt an die Versorgungssicherheit denken. Schlimm wird es, wenn die Lebensmittel knapp werden. Die Grundversorgung mit Lebensmittel hat einen immensen Stellenwert.

Wo liegen die Probleme im Detail?

Wir sind agrarstark, müssen aber importieren. Eiweiß zum Beispiel, oder vitaminreiche Südfrüchte, Gewürze. Wir müssen wichtige Teile der gesamten Ernährung möglichst bei uns lassen. Unser Fisch kommt beispielsweise nur mit 7 % aus der Steiermark, trotz ausreichender Gewässer. Das könnten 50-60 % sein, regional bestens versorgt, aber solange der Fischotter nicht in Grenzen gehalten werden darf, wird es das nicht spielen.

Der Endverbraucher trägt mit über 50 % zur Verschwendung von Nahrungsmitteln bei, mit gut zureden werden wir hier keine Wende schaffen, oder?

Die symbolische Wertigkeit von Lebensmitteln ist leider tief gesunken. In den 70er-Jahren hat man 40 % des Haushaltseinkommens dafür ausgegeben. Für die Freizeit 10-15 %. Heute geben wir weniger als 10 % für das Essen und 40 % für die Freizeit aus. So fehlt leider die psychische Barriere.

Sind die Lebensmittel zu billig?

Zum Teil sicher, hier wird der Wert der Produktion nicht widergespiegelt. Das größte Problem ist hier das Fleisch. Auch die ganzen Diskussionen um das Tierwohl hätten wir letztlich nicht, wenn wir den Auswuchs zum Diskontpreis nicht hätten. Bei korrekten Preisen für Lebensmittel wird schwerer weggeworfen.

Hier fehlt es an der Bewusstseinsbildung, höre ich immer wieder Klagen.

Ja, da sind wir als Gesellschaft gefordert. Wir müssen unseren Lebensmitteln wieder mehr Aufmerksamkeit schenken und das Bewusstsein um die Wertigkeit von Lebensmitteln schaffen.

Die »einfache« Schuljause wird oft auch nicht mehr so angenommen.

Eine Jause von heute sollte auch geschmackvoll angerichtet werden: Ein Jausenbrot in einer Alufolie ist jetzt nicht immer mit dem Geschäft um die Ecke konkurrenzfähig. Da ist ein hausgemachter Früchtebecher eine gelungene Abwechslung.

Haben Sie ein bevorzugtes Restlessen?

Schinkenfleckerl mit Gemüse reingeschnitten und einen guten, frischen Salat dazu.

Themenwechsel: Die Landwirtschaft ist im Wandel, da die Erderwärmung anhalten wird. Erwartet uns eine Sortenrevolution in der Landwirtschaft?

Keine Revolution, sondern eine intelligente Evolution. Wir müssen resistente Sorten züchten, weil der Klimawandel uns massiv mit Schädlingen zudecken wird. Hier können wir durch resistente Sorten nach Möglichkeit chemische Pflanzenschutzmittel vermeiden. Ohne Pflanzenschutz wird es aber auch nicht gehen.

Wo punktet die Steiermark in der Landwirtschaft besonders, was kann ausgebaut werden?

Die Kräuterwirtschaft ist ein zunehmendes Thema, natürliche Heilprodukte werden immer gefragter. Dazu kommt die Vielfalt der Gemüsesorten, da in Zukunft mehr Gemüse gegessen wird. Unser Obst wird weiterentwickelt, es kommen Spezialkulturen, die unserem Klima angepasst werden – es gibt hier vielerlei zu tun.

Jamie Oliver äußerte einen Wunsch: Die Menschen sollten nur noch zwei Mal in der Woche Fleisch essen und dafür die Qualität steigern. Sind Sie dabei?

Plus minus eins muss noch drinnen sein. Ich esse sehr gerne Gemüse und Obst, ein hochwertiges Fleisch sollte man aber essen dürfen, das gehört zu unserer Kultur. Mehr Gemüse zu essen, schadet uns aber sicher nicht!

Gerade im Jahr 2022 haben wir gesehen, dass Wasser wahrscheinlich das wichtigste Gut auf Erden ist. Welche Erkenntnisse gibt es in der Steiermark?

Wasser wird das wichtigste aller Lebensmittel auf Erden bleiben, mit dem wir sorgsam umgehen müssen. Dazu werden wir viel investieren müssen. 1.000 Liter Wasser um 1,50 Euro wird in Zukunft vermutlich nicht mehr möglich sein, weil die Sicherung der Qualität, bis hin zum Blackout, auch Geld kostet.

Da könnte man ja von den Wienern für unser Hochschwab-Wasser auch einiges mehr verlangen, oder?

Die Wiener haben sich das in der guten alten Zeit so absichern lassen, dass wir Steirer das im besten Falle in Wien noch kostenlos trinken dürfen.

Um Triest brannte letztes Jahr der Karst. Erwartet uns in den nächsten Jahren Ähnliches?

Die Situation ist brandgefährlich, da die Hitzetage nicht weniger werden, da reichen oft schon Spiegeleffekte zum Entfachen eines Feuers. Die einzige Prävention ist der Klimaschutz, alles andere wird uns langfristig nicht weiterhelfen.

Herr Landesrat, 40plus bedankt sich für das Gespräch.
Interview: Martin G. Wanko
Bild: © steiermark.at/Streibel

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