Die Grazer City verliert die letzten zwei Jahre Tagesgäste in Millionenhöhe (ca. 7 %, 2023/24), obgleich die Nächtigungen (+ 7,9 %) zunehmen. Die Bevölkerung ist sich auch nicht ganz einig, wohin es mit der Landeshauptstadt gehen soll. Ein innovativer 40plus-Talk gibt Auskunft.
Warum mag man unsere City immer weniger?
Judith Schwarz: Weil sie viel von ihrer Leichtigkeit verloren hat. Ein Innenstadtbesuch fühlt sich heute oft anstrengend an – dabei sollte er inspirieren. Graz braucht wieder dieses Gefühl von Lebensfreude, Erlebnissen, Spontanität und echtem Miteinander.
Klaus Weikhard: Man muss offen ansprechen, dass sich die Erreichbarkeit der Innenstadt in den vergangenen zwei, drei Jahren massiv verschlechtert hat.
Adi Berghold: Ich denke, der Rückgang der Tagesgäste der letzten Jahre hängt mit den Großbaustellen zusammen, die jetzt ja beendet sind, das heißt, die Zahl der Tagesgäste wird wieder ansteigen. In den letzten Jahren gab es zu viele negative Meldungen über die Innenstadt – der Großteil davon leider politisch motiviert. Das muss jetzt aufhören.
Gerhard Sommer: Zurzeit wegen der Baustellen und wegen der zu knappen Parkmöglichkeiten.
Albin Sorger-Domenigg: Ist das der Fall? Eventuell erwartet man sich etwas anderes von einer Stadt dieser Größe. Man geht nicht mehr nur zum Einkaufen in die Stadt, sondern zum Flanieren – man erwartet sich also ein Erlebnis, neue Eindrücke und Genuss.
Dieter Hardt-Stremayr: Das halte ich für einen falschen Befund! Die City mag „man“ sicher immer noch, aber es gibt mittlerweile viele Alternativen und hier ist Stillstand schon ein Rückschritt. Wir müssen wieder einladender wirken!
Martina Weinhandl: Es wird leider von der Politik alles getan, um die Erreichbarkeit der Landeshauptstadt für die steirische Bevölkerung zu behindern. Leider wohnt in der Grazer Innenstadt auch nur mehr ein Prozent der Grazer Bevölkerung.
Was macht Graz interessant bzw. wofür steht Graz?
Judith Schwarz: Für Charakter, für Charme und für das gute Leben. Kulinarik, Kultur und Kreativität – das ist unsere DNA, und darauf sollten wir stolz aufbauen.
Klaus Weikhard: Eine traumhaft schöne Altstadt mit einem guten Angebot für Shopping und Gastronomie!
Adi Berghold: Für südländisches Flair. Großstadtcharakter und doch überschaubar.
Gerhard Sommer: Graz hat eine sehr schöne Altstadt, wo man in Ruhe durch die Straßen flanieren kann. Zudem hat Graz ein sehr großes kulturelles Angebot.
Albin Sorger-Domenigg: Graz lebt von guten Ausbildungsmöglichkeiten, Technik-Leitbetrieben und Kultur. Graz steht für Lebensfreude und Genuss.
Dieter Hardt-Stremayr: Graz steht für eine authentische und somit „echte“ Altstadt, die völlig zu Recht den Status als Weltkulturerbe hat und diesen Titel aber nicht unter einer Käseglocke auslebt.
Martina Weinhandl: Es war immer der besondere Mix aus Ambiente, Kulturangeboten, Handel, Gastronomie und Dienstleistungen. Graz ist heute eine Stadt für die Jungen und Junggebliebenen.

Graz braucht wieder dieses Gefühl von Lebensfreude, Erlebnissen, Spontanität und echtem Miteinander.
Judith Schwarz,
Aiola-Gruppe
Es fehlen in Graz ein bisschen die kaufkräftigen Touristen.
Klaus Weikhard,
Juwelier Uhren Weikhard


Das Einkaufserlebnis in einer gewachsenen Altstadt ist doch ein anderes als ein einsamer Mausklick um Mitternacht…
Adi Berghold,
verytasch
Wo soll Graz 2035 sein?
Judith Schwarz: Eine Stadt, die Menschen anzieht, weil sie ehrlich, lebendig und weltoffen ist – mit mutigen Konzepten, die von der Stadt Graz unterstützt werden und die Qualität vor Quantität stellen.
Klaus Weikhard: Eine offene Stadt, die Möglichkeiten für alle bietet und sich nicht über Einschränkungen definiert!
Adi Berghold: Eine lebenswerte Stadt mit grünen Lebensräumen, nachhaltiger Mobilität, wirtschaftlicher Stärke und sozialem Zusammenhalt.
Gerhard Sommer: Hoffentlich hat man bis dorthin den Mut, in der Herrengasse Bäume zu pflanzen und Sitzmöglichkeiten zu schaffen!
Albin Sorger-Domenigg: Die vier Säulen Ausbildung, Wirtschaft, Kultur und Genuss sollen gleichermaßen berücksichtigt und weiterentwickelt sein – keine darf in den Hintergrund geraten. Entscheidend ist, in allen Bereichen ein hohes Qualitätsniveau zu halten und gezielt auszubauen.
Dieter Hardt-Stremayr: Die Streitereien um die Erreichbarkeit für Menschen mit ganz unterschiedlichen Mobilitätsmustern und -bedürfnissen werden beendet sein und Graz wird über eine großartige Aufenthaltsqualität verfügen. Die Jungen werden die Stadt wieder cool und lässig finden.
Martina Weinhandl: Graz soll 2035 weiterhin das pulsierende Zentrum im österreichischen Süden sein, das die gesamte Region mit Leben erfüllt.
Wir haben über 12 Millionen Besucher der Innenstadt im Jahr und rund 1,4 Millionen Nächtigungen. Schlägt sich hier das Kaufverhalten zu wenig nieder?
Judith Schwarz: Leider ja. Es schmerzt zu sehen, wie der stationäre Handel leidet – er ist Teil unserer Identität. Wir brauchen wieder mehr echte Begegnung und Wertschätzung für die Unternehmer und die Menschen hinter den Geschäften.
Klaus Weikhard: Ja, es fehlen in Graz ein bisschen die kaufkräftigen Touristen.
Adi Berghold: Ja, leider ist die Teuerung da ein Thema. Den Urlaub leistet man sich, aber für Shopping fehlt dann leider immer öfter das Geld.
Gerhard Sommer: Ja, man müsste mehr auf die Qualität statt auf die Quantität der Besucher achten.
Albin Sorger-Domenigg: Die Leute kaufen heute anders ein, daran muss man sich anpassen.
Dieter Hardt-Stremayr: Wer mit offenen Augen durch die Innenstadt schlendert, wird staunen, dass es bei uns viele Angebote gibt, die man – sobald man in einer fremden Stadt weilt – über den grünen Klee lobt und auch in Anspruch nimmt!
Martina Weinhandl: Jährlich eine Million Besucher zu verlieren ist dramatisch, interessiert die derzeitige Regierungskoalition aber nicht. Gilt anscheinend auch für die Arbeitsplätze, die verloren gehen. Die Entwicklung im Tourismus und das Kaufverhalten der Touristen ist positiv. Verändert aber auch das Angebot.
Ein großes Thema in Graz ist der Verkehr: Um die Lebensqualität für die Anrainer und Besucher zu erhöhen, wird der Kfz-Verkehr reduziert. Die Bevölkerung ist hier geteilter Meinung. Wohin soll der Zug gehen?
Judith Schwarz: Eine autofreie Innenstadt ist ein schönes Ziel, aber sie muss erreichbar und lebbar bleiben. Wer in der Stadt arbeitet oder Gäste empfängt, braucht Lösungen, keine Hürden.
Klaus Weikhard: Jedenfalls PRO Individualverkehr, es soll doch bitte jeder/jedem ihre/seine Möglichkeit geboten werden, die Innenstadt zu erreichen!
Adi Berghold: In ein ausgewogenes Miteinander aller Verkehrsteilnehmer mit Rücksicht aufeinander. Keine Bevorzugung einzelner oder Benachteiligung anderer.
Albin Sorger-Domenigg: Meines Erachtens ist das eine normale Entwicklung. Die Herrengasse war auch einmal mit dem Auto befahrbar und ist es heute nicht mehr. Eventuell ist es mehr die Art und Weise, wie Entwicklungen kommuniziert werden und inwieweit sich die Betroffenen eingebunden fühlen. Es braucht hier einen offenen und transparenten Prozess.
Dieter Hardt-Stremayr: Zwischen „mit Auto erreichbar“ und „Durchzugsstraße“ gibt’s doch einen veritablen Unterschied. Viele Auto-Pendler sind darüber hinaus mit großer Selbstverständlichkeit auch Fußgänger, Radfahrer und Öffi-Benutzer.
Martina Weinhandl: Nachweislich: Schauen Sie sich die Frequenzen der kostenlosen Parkplätze in allen Einkaufszentren an. Die Innenstadt von Graz braucht dringend mehr Tiefgaragenplätze mit einem Parkinformationssystem, um an der Oberfläche Platz zum Bummeln und Genießen zu ermöglichen. Der Glaubenskrieg sollte rasch beendet werden.
Es gibt international vorgegebene Trends, es wird z. B. immer mehr online gekauft, die Flugkoffer werden immer kleiner und leichter usw. So zieht sich der stationäre Handel immer weiter zurück. Wo ist die City von Graz, wenn es keinen Handel mehr gibt?
Judith Schwarz: Dann verliert sie ihre Seele. Gastronomie und Hotellerie leben vom Umfeld – ohne lokale Geschäfte fehlt der Zauber, der die Stadt lebendig macht. Eine Stadt muss lebendig bleiben, damit sich auch Touristen wohl fühlen.
Adi Berghold: Ich denke, den stationären Handel wird es immer geben und ich glaube auch, dass der Trend wieder zum lokalen Shoppen geht.
Gerhard Sommer: Dann würde der Charme der Stadt verschwinden und das Kaufpublikum ausbleiben.
Albin Sorger-Domenigg: Ich sehe das nicht als Trend, sondern vielmehr als Paradigmenwechsel. So ergeht es nahezu jeder Innenstadt. Einkaufen ist nicht mehr nur das Decken eines Bedarfs, sondern auch ein Erlebnis. Je mehr Erlebnis, Emotion und Gefühl, mit dem ich mich vom Mitbewerber (in dem Fall online) abheben kann, desto klarer grenze ich mich ab.
Dieter Hardt-Stremayr: Der stationäre Handel ist unter Druck, aber er wird bleiben. Das Einkaufserlebnis in einer gewachsenen Altstadt ist doch ein anderes als ein einsamer Mausklick um Mitternacht und der Besuch der guten alten Post, wenn die Hälfte der Bestellung wieder zurückgeschickt werden muss!
Martina Weinhandl: Es wäre sehr schade, wenn der richtige Mix verloren ginge. Städte und Gemeinden, deren Innenstadt verödet ist, verlieren ihre Identität und das wirkt negativ, auch in vielen anderen Bereichen, wie z. B. Tourismus, Ansiedlung von Arbeitskräften, etc..
Man muss sich vorstellen, dass die Bevölkerung von Graz und dem Umfeld größtenteils nur Freitag und Samstag Zeit haben, die City zu besuchen. Welche Anreize müssen geschaffen werden?
Judith Schwarz: Mehr Leben in den Alltag: Musik, Designmärkte, Wochenend-Formate, die Emotion und Atmosphäre schaffen. Menschen kommen nicht nur zum Konsumieren – sie kommen, um sich wohlzufühlen und etwas zu erleben.
Klaus Weikhard: Leichte Erreichbarkeit der Innenstadt, attraktive Geschäfte, Lokale, Locations, Sehenswürdigkeiten…
Adi Berghold: Günstigere Parktarife an diesen Tagen, sowohl in den Zonen wie auch in den Tiefgaragen und die (gratis) Altstadtbim könnte noch etwas ausgeweitet werden.
Gerhard Sommer: Zuerst müsste man die Parkgebühr an Samstagen abschaffen und die Tiefgaragengebühren senken.
Albin Sorger-Domenigg: Früher war der Branchenmix der Anreiz für den Besuch in der Innenstadt, heute erfüllen das die Shopping Center in den Vororten. Die Innenstadt hingegen überzeugt mehr mit Kultur, Geschichte und Tradition.
Dieter Hardt-Stremayr: Die qualitätsvolle Bespielung des öffentlichen Raums ist ein breiter Wunsch der Einheimischen und der Besucher. Diese Möglichkeiten müssen bei jeder Neugestaltung von Straßen, Gassen und vor allem Plätzen mitbedacht werden, sodass die Bespielung mit vernunftbegabten Aufwand möglich ist.
Martina Weinhandl: Ich würde die Aussage, dass die Grazer Innenstadt hauptsächlich am Freitag und Samstag besucht wird, heute differenzierter betrachten. In den letzten Jahren haben sich Arbeitszeiten, Lebensrhythmen und Konsumverhalten stark verändert. Wir merken zum Beispiel, dass auch Wochentage wie Montag oder Mittwoch stark sein können.

Zuerst müsste man die Parkgebühr an Samstagen abschaffen und die Tiefgaragengebühren senken.
Gerhard Sommer,
Galerie Sommer
Einkaufen ist nicht mehr nur das Decken eines Bedarfs, sondern auch ein Erlebnis.
Albin Sorger-Domenigg,
Bäckerei Sorger

Soll bezüglich der Ansiedlung von Unternehmen/Gastro ein Qualitätsanspruch verordnet werden? (z. B. keine Billig-Läden mehr.)
Judith Schwarz: Ja, unbedingt. Qualität zieht Qualität an. Die Innenstadt sollte ein Ort sein, wo Menschen Inspiration und Authentizität finden – kein Austauschplatz für Schnellkonzepte.
Klaus Weikhard: Ja, eine verfolgenswerte Idee, aber welche Kriterien legt man da an?
Adi Berghold: Nein, in diesem Fall finde ich, macht es die Mischung aus – für jede Käuferschicht das richtige Angebot zu haben.
Gerhard Sommer: Nein.
Dieter Hardt-Stremayr: Eine dafür nötige Zonierung ist eine echte Herausforderung. Die Bauordnung hat hier sehr wohl einen Hebel. So ist es in Amsterdam schlussendlich gelungen, die Zahl der Schnell- und Billigangebote zu reduzieren, indem die Zahl der Ausgabefenster (Durchreichen) limitiert wurde.
Martina Weinhandl: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, siedelt sich Qualität von selbst an. Alle Unternehmen müssen aber auch selber wissen, dass alle Besucher „das Besondere“ im Weltkulturerbe Altstadt Graz suchen. Dementsprechend müssen sie ihr Angebot ausrichten.
Silke Ressenig-Schaller: Dieser Ansatz ist in dieser Form schwierig zu realisieren, außerdem soll es auch ein Angebot für alle Ansprüche geben. Ein balanciertes Verhältnis wäre erstrebenswert, doch wohl kaum zu verordnen.
Die Innenstadt zu beleben ist schwieriger als man glaubt. Um en gros zu verändern, braucht man einen Tanker wie die „Salzburger Festspiele“, der eine bestimmte Sorte an Publikum anzieht – demgegenüber stöhnt die Bevölkerung an Überteuerung von Mieten und Restaurantpreisen. (Siehe Salzburg, Wien)
Klaus Weikhard: Sicher eine schwierige Situation…
Adi Berghold: Ich denke nicht, dass in diese Richtung etwas notwendig ist. Events gibt es in Graz genug z. B. Elevate, La Strada, Steirischer Herbst, Klanglicht etc.. Vielleicht sollte alles im Ausland besser beworben werden?
Gerhard Sommer: Man könnte den Steirischen Herbst zu einem Magneten machen, indem man alle Kunstschaffenden miteinbezieht, dadurch könnte man ein breiteres Publikum nach Graz bringen.
Albin Sorger-Domenigg: Allein der Tourismus kann nicht die Lösung sein – es braucht eine Ausgewogenheit aus touristischem Nutzen, Kongressgästen sowie regionalem Publikum.
Dieter Hardt-Stremayr: Wir sind authentisch und echt geblieben und das ist ein echtes Asset für die Zukunft. Es ist schön, es ist gemütlich. – Das soll uns aber nicht daran hindern, attraktive Angebote im Veranstaltungs- oder Ausstellungsbereich nach Graz zu lotsen.
Martina Weinhandl: Der Advent in Graz, La Strada, Klanglicht, Aufsteirern und Styriarte zeigen vor, wie es gehen kann. Hier ist das Citymanagement mit uns allen gefordert, mehr saisonale Highlights anzubieten.
Es gibt immer wieder Beschwerden. Sind in Graz Genehmigungsverfahren für neue Geschäfte gegenüber anderen Städten in Österreich besonders schwierig?
Judith Schwarz: Leider ja. Wer mit Leidenschaft etwas aufbauen will, braucht mehr Unterstützung und weniger Bürokratie. Innovation entsteht nicht durch Formulare.
Klaus Weikhard: Ich denke, es wird in allen Städten in etwa gleich sein…
Adi Berghold: Ich kann das nicht beurteilen.
Albin Sorger-Domenigg: Das kann ich nicht beurteilen, aber ja, es ist hin und wieder anspruchsvoll, Genehmigungen zu erhalten. Das ist aber ein gewöhnlicher Prozess, den es überall gibt.
Dieter Hardt-Stremayr: Ein deutliches Jein was den Städtevergleich angeht. Auflagen durchforsten wäre eine gute Idee, dann ginge vieles tatsächlich flotter!
Martina Weinhandl: Denkmalschutz, Altstadtschutz und Unesco-Weltkulturerbe sind sicherlich eine Herausforderung, haben dankenswerterweise in Graz aber auch bewirkt, unverwechselbar zu sein.
Silke Ressenig-Schaller: Dies lässt sich meinerseits nicht beurteilen, doch ich denke, es kann keine großen formellen Abweichungen im Vergleich zu anderen österreichischen Städten geben.
Warum sollte z. B. Dior in Graz eine Boutique eröffnen? Welche Anreize gibt es bei uns, die es woanders nicht gibt?
Judith Schwarz: Weil Graz Stil hat – und Menschen, die das schätzen. Wir müssen das nur stärker zeigen und den Mut haben, Graz international wieder selbstbewusst zu positionieren.
Klaus Weikhard: Louis Vuitton, Dior, Prada, etc. wären extrem wichtig, um Graz auch als Shopping-Stadt zu etablieren!
Adi Berghold: Das wird nicht passieren, aber für kleine, feine eigentümergeführte Geschäfte ist sicher immer Platz.
Dieter Hardt-Stremayr: Ein internationaler Player schaut ganz genau auf die Kaufkraft oder auf die Werbekraft durch die Präsenz in einer schönen und spannenden Umgebung mit entsprechendem Besucherpotential. Also: Kaufkraft ist der Schlüssel. Und die bleibt, wenn die Wirtschaft und vor allem die Industrie erfolgreich sind.
Martina Weinhandl: Mir macht eher Sorge, dass zu wenige Menschen in Zukunft das Wagnis der Selbstständigkeit eingehen. Wir brauchen Unternehmerpersönlichkeiten und nicht bloß Gastro und Handel.
Silke Ressenig-Schaller: Derzeit sehe ich keine Gegebenheiten in der Grazer Innenstadt, warum dort eine Luxury Brand eröffnen sollte.
Das Kulturhauptstadtjahr hat es vorgeführt, wie es gehen kann. Was wäre für uns das passende Branding heute?
Adi Berghold: Ich finde die momentane Kampagne „Die schönste Shoppingmeile hat kein Dach“ sehr gut. In diese Richtung soll es weitergehen und der Designmonat soll auch ohne Creative Industries Styria weitergeführt werden.
Gerhard Sommer: Man müsste mit Firmen, die ein potenzielles Publikum nach Graz bringen, zusammenarbeiten und sie mit der Werbung unterstützen.
Albin Sorger-Domenigg: Wir standen damals schon für junge und urbane Kunst, die sich international messen konnte und würden das heute auch noch tun.
Dieter Hardt-Stremayr: Das Kulturhauptstadtjahr hat so gut funktioniert, weil es die gegebenen Versprechen übererfüllen konnte. Graz war im Ausnahmezustand und man hat uns das Projekt zu 100 % abgenommen.
Martina Weinhandl: Es geht nicht nur um Branding, es geht um die gemeinsame Anstrengung, etwas Besonderes zu Stande zu bringen.
Die einen haben Angst vor zu großzügigen „Third Places“ (schön gestalteter öffentlicher Raum) und zu vielen (schattigen) Sitzmöglichkeiten, die anderen können nicht genug davon bekommen. Wohin soll Graz?
Klaus Weikhard: Architektonische Neuerungen und neue Wege im öffentlichen Raum sind wichtig!
Adi Berghold: Ich finde „Third Places“ kann es nicht genug geben, wie die obere Schmiedgasse. Dieses Konzept würde ich z. B. auch für die Herrengasse gut finden.
Gerhard Sommer: Ich würde schattige Sitzmöglichkeiten bevorzugen.
Dieter Hardt-Stremayr: „Schön“ alleine ist natürlich zu wenig. Aufenthaltsqualität ist der Schlüssel und entscheidend ist, dass der neue geschaffene Raum auch gemanagt und gepflegt wird.
Martina Weinhandl: Jedem Recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.

Das Kulturhauptstadtjahr hat so gut funktioniert, weil es die gegebenen Versprechen übererfüllen konnte. Graz war im Ausnahmezustand und man hat uns das Projekt zu 100 % abgenommen.
Dieter Hardt-Stremayr,
Graz Tourismus
Es geht nicht nur um Branding, es geht um die gemeinsame Anstrengung, etwas Besonderes zu Stande zu bringen.
Martina Weinhandl,
Klammerth


Derzeit sehe ich keine Gegebenheiten in der Grazer Innenstadt, warum dort eine Luxury Brand eröffnen sollte.
Silke Ressenig-Schaller,
Centrex Europe Energy & Gas
Eine Stadt ohne sozial Benachteiligte oder Suchtkranke gibt es nicht. Sind sie in Graz „besonders sichtbar“?
Adi Berghold: Nein, für die Größe der Stadt hält es sich in einem überschaubaren Rahmen.
Dieter Hardt-Stremayr: Diese Bevölkerungsgruppe ist in jeder Stadt vorhanden. Das Grazer Phänomen besteht darin, dass eine zahlenmäßig sehr kleine Gruppe bewusst Plätze mit hoher Sichtbarkeit auswählt. Da ist „die Stadt“ wohl oft zu tolerant.
Martina Weinhandl: Es gibt ein gutes Miteinander in unserer Stadt und viele engagierte Helfer. Danke dafür. Wenn aber Demos, das Werben der NGOs und starkes Betteln aufeinandertreffen, ist es mit dem gemütlichen Innenstadtbesuch oft vorbei.
Silke Ressenig-Schaller: Tendenziell steigend leider ja, vor allem in einstigen Erholungszonen wie dem Grazer Stadtpark. Das wäre mit dem einstigen Stadtparkwächter nicht möglich gewesen. 😉
Soll man über den Denkmalschutz hinwegschauen und die Plätze begrünen?
Klaus Weikhard: Zumindest teilweise wäre Begrünung/Beschattung sicher attraktiv!
Adi Berghold: Je mehr Grün, desto besser ist es für eine kühlere Stadt im Sommer, das sollte in jedem Fall mehr Raum haben.
Gerhard Sommer: Auf alle Fälle.
Albin Sorger-Domenigg: Veränderung gefällt nicht immer allen, aber aufhalten lässt sie sich auf Dauer nicht. Mir wäre ein konstruktiver Umgang damit lieber als eine reine Verbotshaltung.
Dieter Hardt-Stremayr: Vor dieser Herausforderung stehen viele (historische) Städte und da wird sicher einiges in Bewegung geraten. Das wäre doch ein spannendes Feld um – wieder einmal – die Nase vorne zu haben!
Martina Weinhandl: Die Grazer Altstadt ist im Vergleich zu anderen Städten wunderbar begrünt. Wer hat schon einen Schloßberg und einen Stadtpark mitten in der Stadt? Und übrigens… mit dem ewigen Jammern sollten wir auch aufhören und mit positivem Geist gemeinsam anpacken!
Werte Damen und Herren, 40plus bedankt sich für das Gespräch!
Foto: Judith Schwarz – © BOBBYS AGENCY
Foto: Klaus Weikhard – © FOTO FISCHER
Foto: Adi Berghold – © ADOLF BERGHOLD
Foto: Gerhard Sommer – © FLORIAN LIERZER
Foto: Albin Sorger-Domenigg © LUPI SPUMA
Foto: Dieter Hardt-Stremayer – © GRAZ TOURISMUS
Foto: MArtina Weinhandl – © KLAMMERTH
Foto: Silke Ressenig-Schaller – © FOTO STUDIO FLOYD
