Einen Monat im Jahr verzichte ich bewusst auf Alkohol. In der Regel ist das der Jänner, also der Dry January. Dieses Jahr wollte ich etwas Neues ausprobieren: Kein Alkohol während der Fastenzeit. Challenge accepted! Der Frühling zieht ins Land, die ersten warmen Sonnenstrahlen sind zu spüren, die Tage werden länger und die Nächte lauer. Die Stadt erwacht, die Natur erblüht – das lädt zu angenehmen Abenden mit einem Aperol Spritz ein. Eigentlich ist es für mich absolut kein Problem, Bekannte zu treffen und dabei keinen Alkohol zu trinken, aber vor einer Sache halte ich mich fern: Ich besuche keine Partys! Einerseits sind betrunkene Menschen unglaublich anstrengend, ich nehme mich da selber gar nicht aus. Auf der anderen Seite ist zwar ein Hype antialkoholischer Getränke deutlich spürbar, die blöden Kommentare bleiben allerdings aus: „Was? Du trinkst nichts? Wieso?“, „Aber geh, ein Glas geht schon!“, „Sonst geht’s dir aber schon gut, oder?“, „Bist schwanger?“ oder „Hast du ein Alkoholproblem?!“. Extreme wie Alkoholiker und Abstinenzler verunsichern den Österreicher anscheinend.
Was werden die Gäste zu meiner Entscheidung sagen?
Die ersten drei Wochen sind überstanden. Eigentlich gar kein Problem! Aber dann passiert es doch: Ich werde auf eine Party eingeladen und kann wirklich nicht absagen. Innerlich bin ich tatsächlich sehr nervös. Was werden die Gäste zu meiner Entscheidung sagen? Ich überlege mir die verschiedensten Argumente, was für und gegen Alkohol spricht, um bestmöglich gewappnet zu sein. Mit gemischten Gefühlen betrete ich die Wohnung. Bereits im Eingangsbereich sehe ich Sektgläser aufgestellt. Appetizer, um die Stimmung anzuregen. Überrascht stelle ich fest, dass es auch Sekt ohne Alkohol zur Auswahl gibt. Davon nehme ich mir ein Gläschen. Niemand bemerkt meine Wahl und ich komme mit dem Gastgeber ins Gespräch. Ich erzähle ihm, dass ich es unglaublich gut finde, dass er Sekt ohne Alkohol anbietet. Wir werden uns schnell einig: Alkoholersatzprodukte haben zwar mehr Kalorien als der gewöhnliche Blubber, allerdings sind Softdrinks wie Cola und Sprite auch keine kalorienarmen Alternativen. Man darf ihre starke gesellschaftliche Rolle nicht unterschätzen. Sie helfen, zu verzichten. Und so nimmt der Abend seinen Lauf. Später wird mir Gin-Tonic mit dem alkfreien Stin-Gin angeboten. Tatsächlich schmeckt der Gin ohne Alkohol sogar noch besser als der gängige. Viel milder. Im Endeffekt hat mich niemand gefragt, wieso ich keinen Alkohol trinke. Mit einem angenehmen Gefühl gehe ich nun nach Hause. Nur noch an ein paar Lokalen vorbei und über den Lendplatz. Vorm PPC übergibt sich eine Jugendliche. Ihre Begleitung hält die Haare des betrunkenen Mädchens, die Schuhe kotzt sie trotzdem an. Ich lass den Abend nochmals Revue passieren und freue mich, nichts getrunken zu haben.
Text: Clarissa Berner