Artenreiche Steiermark!

Wolfgang Paill, Leiter der Abteilung Naturkunde am Universalmuseum Joanneum, im Dialog mit dem steirischen Landeshauptmann Christopher Drexler.

Wolfgang Paill:
Sie haben die STEIERMARK SCHAU ins Leben gerufen und auch das Thema der diesjährigen Schau rund um Biodiversität und Artenvielfalt mit ausgewählt. Welchen Anspruch haben Sie an ein solch zukunftsorientiertes Format und konnte dieser erfüllt werden?

LH Christopher Drexler:
Mit der STEIERMARK SCHAU haben wir ein Format geschaffen, das zukunftsweisend ist. Als ich das Kulturressort in der Steiermärkischen Landesregierung übernommen habe, war eigentlich rasch klar, dass wir ein neues Format finden müssen, um die Lücke zu schließen, die die früheren Landesausstellungen hinterlassen haben. Meine Erwartungen sind natürlich hoch, weil wir mit dem Thema »Vielfalt des Lebens« ein großartiges Generalthema gefunden haben, das wirklich am Puls der Zeit ist. Wir haben mit dem Tierpark Herberstein einen prächtigen Hauptausstellungort und ich freue mich, dass mit dem Haus der Biodiversität, wo die Vielfalt der Natur entdeckt und bewundert werden kann, ein feinsinnig gestaltetes und nachhaltiges Herzstück der Schau entstanden ist.

LH Christopher Drexler:
Der Klimawandel und damit auch die Bedrohung unserer Biodiversität sind die größten Herausforderungen unserer Epoche. Was kann jede Einzelperson im täglichen Leben beitragen, um unser bestehendes Ökosystem zu schützen?

Wolfgang Paill:
Der Beitrag jedes Einzelnen ist wichtig! Die Palette der Möglichkeiten ist sehr umfangreich und allgemein gut bekannt: Rad oder Öffi anstatt Auto und Flieger, regionale Bio-Lebensmittel anstatt konventionell gezogenen, weniger fleischliche Ernährung, Kleidung aus nachhaltiger und fairer Produktion, Verzicht auf Pestizide im Garten. Gehen Sie hinaus, begeistern Sie sich an der Natur und lernen Sie die Vielfalt mit ihren Funktionen kennen, schätzen und lieben – letztlich kommen Sie automatisch ins Schützen und Bewahren! Ergänzend sollten wir uns meinungsbildend bis aktivistisch engagieren, damit sämtliche politische Entscheidungen sowie das Regelwerk unseres Zusammenlebens künftig stärker nach dem Schutz von Biodiversität und Klima ausgerichtet werden.

Wolfgang Paill:
Viele Menschen sind angesichts von Biodiversitäts- und Klimakrise verunsichert. Um passive Schicksalsergebenheit in zuversichtliche Aktivität zu wandeln, braucht es vertrauenserweckende und vor allem realistische Zukunftsvisionen, die auch unpopuläre, aber unbedingt erforderliche Maßnahmen wie die massive Einsparung von Energie und anderer Ressourcen thematisieren. Mit welchen Visionen wollen Sie die Menschen mitnehmen?

LH Christopher Drexler:
Die Steiermark soll im europäischen Vergleich eine Musterregion – ein Klimaschutzvorbild – sein. Wir haben in der Steiermark bereits wesentliche Weichenstellungen vorgenommen, was den Ausbau der erneuerbaren Energien betrifft. Etwa mit dem Sachprogramm Photovoltaik und unserem präzisierten Ziel, 250 Windkraftanlagen bis 2030. Insgesamt steht die steirische Energiewende auf vier Säulen: Sonne, Wind, Wasser und Biomasse sind unsere Energiequellen der Zukunft, die wir deutlich ausbauen und verstärkt nutzen werden. Der Klimaschutz muss täglich auf der Agenda stehen und es gilt das Tempo noch weiter zu erhöhen. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energieträger wollen wir die Energiegewinnung in der Steiermark zunehmend unabhängiger machen.

LH Christopher Drexler:
Im Zuge der STEIERMARK SCHAU wurde das Haus der Biodiversität in der Tierwelt Herberstein geschaffen. Sie waren federführend an der Gestaltung und Umsetzung beteiligt. Welche Präsentationsformen braucht es, um ein so komplexes Thema greifbar zu machen?

Wolfgang Paill:
Ressourcenschonend und nachhaltig konzipiert, wurde das Haus der Biodiversität in einer jahrhundertealten Tenne errichtet. Heizung und
Energieversorgung setzen auf Tiefenbohrungen und Photovoltaik, die Einbauten basieren auf heimischem Holz, verzichten auf Verbundwerkstoffe und wurden von regionalen Firmen umgesetzt. Inhaltlich war uns eine klare und stringente ökopädagogische Erzählung wichtig, die den Besuchenden von der Vielfalt der Natur, dem Verborgenen und Faszinierenden hin zu den umfangreichen Funktionen der Biodiversität leitet, uns Menschen als Teil des Ganzen und als Weichensteller für die Zukunft platziert und zum eigenen positiven Handeln animiert. Ein buntes Nebeneinander aus Museumspräparaten, überdimensionalen Nachbauten und Modellen, aber auch klassischen Grafiken und Filme sowie interaktiver Computerstationen und Hands On-Spielen ermöglicht es, die Themen in verschiedenen Ebenen und Komplexitäten zu erfassen und damit Klein und Groß gleichermaßen am Narrativ teilhaben zu lassen.

LH Christopher Drexler:
Die Steiermark ist bekanntlich das grüne Herz Österreichs. Die Feistritzklamm etwa könnte man als einen Hotspot der Artenvielfalt bezeichnen. Als Naturwissenschaftler, was macht Orte wie die Klamm besonders?

Wolfgang Paill:
Trotz ihrer Kleinflächigkeit zählt die Feistritzklamm tatsächlich zu den artenreichsten Schutzgebieten der Steiermark! Aufgrund unterschiedlicher Klimate und Böden hat sich hier ein eng verzahntes Nebeneinander zahlreicher Lebensräume entwickelt. Das Spektrum reicht von nassen, nährstoffreichen Auwäldern an der Feistritz bis zu trockenen, mageren Felstrockenrasen am Oberhang. Auch die jahrhundertelange behutsame Bewirtschaftung hat zur extrem hohen Artenvielfalt des Gebietes beigetragen. So beherbergt der Dachstuhl des Schlosses Herberstein eine große Fledermauskolonie, die Trockenwiesen profitieren von regelmäßiger Mahd und Beweidung und die uralten Eichen, die als Lebensstätten tausender Insektenarten fungieren, wurden bewusst eingebracht und erhalten.

Moderation: Martin G. Wanko

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