Das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit wird nicht abnehmen.

Wer hätte das gedacht? Die Photovoltaik kam nicht mehr so recht vom Fleck, bis im Zusammenhang der Ukraine-Krise die Energiepreise scheinbar widerstandslos nach oben klettern. Selbsthilfe ist angesagt, die Energie Steiermark steht mit Rat und Tat zur Seite. 40plus bat Vorstandssprecher Christian Purrer und Vorstandsdirektor Martin Graf zum Gespräch.

Die EU will bis 2025 die Solarenergie verdoppeln. Da wird der Ausbau auf Dächern in privaten Haushalten nicht reichen. Wie sieht man das in der Steiermark?

Unser Ziel ist sogar eine Vervierfachung der aktuellen PV-Flächen bis 2030, um die Klimawende zu schaffen. Wir wollen die Leistung der steirischen Anlagen von derzeit 532 MWp auf rund 2000 MWp erhöhen – in Partnerschaft mit unseren Kund*innen, Gemeinden und Investoren.

Um das möglich zu machen, werden zwar vorrangig verfügbare und geeignete Dachflächen von privaten, gewerblichen und industriellen Anlagen herangezogen, jedoch reicht dies allein keineswegs aus. Mit Freiflächen muss man jedoch sensibel und ressourcenschonend umgehen. Die Landesregierung hat in ihrer Klausur in Schladming erfreulicherweise grünes Licht für den großflächigen und nachhaltigen Ausbau der Sonnenergie in der Steiermark gegeben und prüft 960 Hektar in rund 40 Gemeinden, um dort eine PV-Nutzung möglich zu machen.

PV-Anlage Josef Zotter (Riegersburg)
PV-Anlage E-Campus (Graz)

Wieviel Prozent der Dächer werden in der Steiermark zurzeit genützt? (privat, Industrie, Gewerbe)

Derzeit liegt die Nutzung im einstelligen Prozentbereich. Viele Dächer sind nicht für einen Ausbau geeignet. Aufgrund unzureichender Statik etwa oder aufgrund der Regelungen des Ortsbildschutzes. Im Neubau gibt es jedoch bereits erfreulicherweise die Verpflichtung für die teilweise Nutzung der Dachflächen.

Der neue Trend sind Energiegemeinschaften. Wie schaut es hier in der Steiermark aus?

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz schafft den rechtlichen Rahmen zur Nutzung von eigenerzeugter Energie, auch über Grundstücksgrenzen hinaus. Wir widmen uns mit großem Elan diesem Thema, auch wenn es da und dort noch einige rechtliche und organisatorische Herausforderungen zu meistern gilt. Der große Renner sind derzeit vor allem sogenannte »Mieterstrommodelle« innerhalb von Mehrparteienhäusern. Die Energie Steiermark betreibt aktuell rund 30 solcher Anlagen und ist somit führend in der Steiermark.

Mittlerweile sollen die Energiegemeinschaften auch über die Grundstückgrenzen funktionieren – ein Verbund einiger Mehrparteienhäuser zum Beispiel: Wird das angenommen?

Ja, das Interesse an Energiegemeinschaften wird seit der Energiekrise zunehmend höher. Wir sind hier aktiver Partner bei der Umsetzung.

Ist ein Balkonkraftwerk rentabel?

Balkonkraftwerke benötigen etwas länger als klassische Photovoltaikanlagen, um sich zu rechnen. Aber wir sehen sie sehr positiv, jeder Beitrag zählt. Und es geht auch um die Signalwirkung. Wesentlich zu beachten ist die ordnungsgemäße Installation einer solchen Anlage sowie die Abklärung, ob die Montage erlaubt ist.

Wieviel Jahre muss man Solarenergie betreiben, bis sie rentabel wird? Gibt es hier eine Faustregel?

Aufgrund der hohen Energiepreise rentiert sich eine Photovoltaikanlage bei Eigennutzung derzeit in bereits weniger als acht Jahren. Wir raten jedoch immer zur Kombination mit einem Speicher. Nur so kann die Eigennutzung auf rund 70 Prozent erhöht werden.

Ganz ambitionierte Gemeinden haben mittlerweile das Problem, den Stromüberschuss ins Netz einzuspeisen. Wie ist das trotz hoher Investitionen seitens der E-Steiermark möglich?

Das Stromnetz ist der Enabler der Energiewende. Wer »Ja« sagt zu Ökostrom, muss auch »Ja« sagen zum Netzausbau. Und es sind massive Investitionen notwendig, um den Sonnenstrom überall dort »abzuholen«, wo er erzeugt wird. Wir investieren bis 2030 rund 1,2 Milliarden in die Aufrüstung und den Umbau des über 32.000 Kilometer langen steirischen Stromnetzes.

Die »alte Generation« an Solarmodulen hat noch anständig gesummt und gebrummt. Ist das nun besser?

DI Christian Purrer & DI (FH) Mag. (FH) Martin Graf, MBA, Vorstände Energie Steiermark

Natürlich. Jene Module, die heute verbaut werden, sind bereits um ein Vielfaches moderner als die der »alten Generation«. Allein schon die Größe ist hierbei entscheidend: bereits eine Standardmodulfläche von 1,8 m2 produziert eine Leistung von 400 Wp.

Kann man auch auf den psychologischen Effekt bauen, dass die Menschen ein höheres Verständnis für Energie aufbringen werden (und auch effizienter damit umgehen), wenn sie selbst kleine Kraftwerksbetreiber sind?

Ja, ganz sicher. Die Bewusstseinsbildung für erneuerbare und regionale Energie ist ein ganz entscheidender Faktor für das Gelingen der Klima- und Energiewende. Je mehr wir uns mit dem Thema beschäftigen, umso mehr achten wir darauf, woher unsere Energie kommt und wie wir effizienter mit ihr umgehen können.

Mülldeponien und Ödland soll der Photovoltaik die nötigen Prozente in der Energie-Generierung sichern. Wo sind bei uns Großprojekte geplant?

Es gibt mehrere Projekte, die teilweise noch in Planung sind, aber auch welche, die bereits umgesetzt werden. Beispielsweise wird eine Photovoltaikanlage in Bärnbach mit 16 MW auf einer ehemaligen Aschekippe des Kohlekraftwerkes noch in diesem Jahr fertiggestellt. Es ist die größte PV-Anlage Österreichs, die ins öffentliche Netz einspeist. Mit den Eigentümern einer »Deponie«-fläche in Leoben sind wir gerade in Gesprächen.

Bis 2030 sollen 11 Terawattstunden zusätzlich sein. Sind das nur schwer greifbare Zahlen, oder ist das realistisch?

Um die Klima-Ziele 2030 zu erreichen, braucht die Steiermark vier Mal so viele PV-Flächen wie bisher! (Ziel: 2000 MWp). Wir sind auf einem guten Weg. Beispielsweise hat sich die Landesregierung am 12. Oktober in Schladming geeinigt: 960 Hektar Fläche in 40 Gemeinden werden ab sofort im Rahmen einer strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung auf ihre Eignung in Sachen Sonnenstrom-Produktion untersucht. Solche Einigungen bringen uns dem Ziel enorm viel näher.

Und was macht man mit den gesamten Projekten, wenn der Strompreis wieder den Bach runtergeht?

Das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit wird nicht abnehmen, die Klimawende wird die zentrale Herausforderung für uns alle bleiben. Und angesichts aller vorliegenden Prognosen ist klar, dass die Energiepreise in den kommenden Jahren zwar wieder leicht nach unten gehen können, aber mit Sicherheit nie mehr das Niveau erreichen, das wir 2019 hatten.

Die Steiermark ist österreichweit unter den Top 3 Bundesländern in Sachen Sonnenstrom. Derzeit herrscht – auch ausgelöst durch die Ukraine-Krise – ein besonderer Nachfrage-Boom. Die Anzahl der PV-Beratungen ist 2022 gegenüber 2021 um 600 Prozent gestiegen.

Derzeit stehen in der Steiermark rund 36.000 PV-Anlagen mit 532 Megawatt Leistung. Das entspricht der Leistung von mehr als 30 Murkraftwerken!

150 Mio. Euro werden von der Energie Steiermark jährlich ins Netz investiert, um vor allem auch den Photovoltaik-Anlagenbetreibern die Einspeisung ins Netz zu ermöglichen, bis 2030 werden es rund 1,2 Milliarden Euro sein.

Mehr Informationen unter www.e-steiermark.com/privat

Interview: Martin G. Wanko

Bildhinweise: Zotter, Symbol, Lex Karelly

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