Auf der Suche nach dem Bild.

Am Anfang sind alle Leinwände weiß. Ein Gespräch mit Josef Wurm über die Entstehung seiner Bilder.

Der Maler Josef Wurm (39) wohnt im malerischen Umfeld der Riegersburg, wo andere gerne Urlaub machen. Als er in seiner Sturm- und Drangzeit die Gegend hier verließ, aufregende Zeiten u.a. in Graz und Budapest erlebte, die durch das Orban-Regime ein jähes Ende fanden, brachten ihn Covid und die Verantwortung gegenüber seiner jungen Familie in ein Nebengebäude des Schlosses Kornberg. Dort lebt er nun mit seiner Frau, seinem Sohn und einem sehr agilen Belgischen Schäferhund namens Molly.

Bis 2013 tat Wurm sehr viel, machte aber selten etwas fertig, auch nicht die Ortweinschule. Zu diesem Zeitpunkt war Graz auch nicht mehr seine Stadt. Design und Deko machen satt, aber nicht glücklich, und bürgerliche Lebensformen so und so nicht. Er wollte sich nur noch der Kunst widmen, aber auch am richtigen Ort. »Das kunstkonforme Ding, Berlin, war dann auch nicht meins, Berlin wäre nur die Galionsfigur gewesen, wo ich eh schon drinstecke!«

Die Kunst der Kunst zuliebe

Also, alles neu denken, die sich aufgebaute Welt mit der Abrissbirne dem Erdboden gleichmachen und weg. Diesen Gedanken gefasst, lernte er in Graz eine ungarische Galeristin kennen, die ihn auf ein Künstlersymposium und ein Kunstfestival in Ungarn brachte, wo Wurm Künstler und Kunstprofessoren aus Budapest kennenlernte und sich zugleich in Budapest ansiedelte: »Das war eine interessante Zeit. Das Orban-System hat bereits gewirkt, so gab es die typischen Spielchen auf Kunstunis nicht mehr, weil es unter Orban nichts mehr zu holen gab. Anstatt dessen haben sich Studenten, Professoren, Künstler einfach nur mit der Qualität der Kunst und der Philosophie dahinter auseinandergesetzt. Für mich war dort eine Art Erleichterung spürbar, plötzlich verpuffen typische Mechanismen, wie Neid und Konkurrenzkampf. Da bin ich schön reingekippt. Bei uns versucht man ja alles, was man gerade für sich entdeckt hat, elitär und geheim zu halten. Und in Budapest: Sharing ohne Ende. Das war extrem fein.«

Aber dieser idealistische Zustand hielt nicht lange an. Schlussendlich zeigte Orban immer mehr seine Wirkung und vor der Einschulung ihres Kindes ging es zurück nach Österreich, eben in die Südoststeiermark.

Trotzdem ist Josef Wurm Maler geblieben, auf der noch frischen Leinwand hinter ihm trottet gerade ein hundeähnliches Wesen. Bleibt die naheliegende Frage, wie bei ihm ein Bild entsteht: »Durch Anfangen. Nichts im Kopf. Reine Handlung, tun! Im Skizzenbuch entstehen im Vorfeld Gedankenmanifeste, aber wenn ich auf der Leinwand anfangen würde nachzudenken, was ich genau umsetzen will, kann ich sofort wieder weggehen.«

Aber natürlich unterliegt auch die Kreativität einem System: »Wenn mir das Gemachte nicht gefällt, wird es am Bild künstlerisch zerstört. Die Entstehung eines Bildes ist für mich ein kontinuierliches Anfangen und Zerstören. Im Grund muss ich mich auf meine Intuition und Erfahrung verlassen können. Manches Mal scheitert man auch.«

Die Bilder ohne Namen

Auf Josef Wurms Bildern geht man als Betrachter mit 100 Details mit 100 verschiedenen Assoziationen und 100 Geschichten auf eine Entdeckungsreise. Jeder Betrachter kommt so zu einer anderen Geschichte, seiner namenlosen Bilder: »Bilder brauchen keine Namen. Ich kann sie gar nicht benennen, würde sie in ein Korsett reinzwängen. Ich will, dass meine Bilder die 100 Geschichten erzählen können, mit einem Titel hätte ich eine Geschichte mit ein paar Abzweigungen, darum gibt es auch keinen Titel.«

Trotzdem schwingt in seinen Bildern immer ein bisserl der Tod mit. Irgendwann hält der Existenzialismus Einzug. »Wenn man intensiv lebt, spürt man auch die Endlichkeit. Mich interessiert hier jedoch kein spielerischer Umgang damit! Ich kokettiere mit den Dingen nicht, bei mir geht es ums Eingemachte.« Beim Thema angelangt: Es scheint mir fast, als seien seine Bilder Kombinationen, wie die eines Kochs, der aus einem breiten Fundus heraus ein neuartiges Menü kreieren. Wurm kann damit etwas anfangen: »Durchaus, weil wir von der Wählscheibe bis zum Smartphone noch alles mitbekommen haben. Da komme ich auf Francis Bacon zurück, tatsächlich ein Maler, mit dem ich mich viel auseinandergesetzt habe. War ja auch ein Eklektiker, der alle Techniken und Wissen zu seiner Geschichte geformt hat.«

Die Entstehung einer neuen Welt

Wurms Bilder wirken, als wäre im Vorfeld ein Raum explodiert. Als greife er nach der Zerstörung einer Welt zum Pinsel und macht etwas draus: »Viele meiner Bilder sind Explosionszeichnungen einer Existenz oder von unserem Planeten. Ja – zerlegen und wieder zusammenfügen. Mad-Max-mäßig den Shit wieder zusammenklauben und zusammenbauen, was irgendwie wieder eine schöne Welt ergibt.«

Nach so viel Tod und Verderben holen wir doch wieder gut Luft und lassen Sauerstoff durch unsere Adern sausen. Wie schaut’s mit der Zukunft aus: »Ich will meinen erzählerischen und bildnerischen Stil weiterentwickeln. Ich bin entspannt und offen. Jetzt muss ich mir da Fallen stellen und selber schauen, wo ich mich überrasche oder erwische. Ich glaube, jetzt ist so ein Moment.«

Interview/Text: Martin G. Wanko

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