Jetzt erst recht

Von zwei Zuständen werden wir mittlerweile schon ewig begleitet: Zum einen der Krieg in der Ukraine, zum anderen die COVID-19-Erkrankung. Der Krieg hält leider ohne Unterbrechung an, bei der Covid-Welle tun wir zumindest einige Monate im Jahr, als ob sie nicht existent wäre. Wenn das beim Krieg auch so einfach gehen könnte, wäre das fast schon genial, zumindest für alle die davon betroffen sind. Kurz einmal in den Off-Modus gehen. Vielleicht findet man dann die Fernbedienung nicht mehr und der Krieg bleibt ausgeschaltet. Bei »Hitchhiker’s Guide to the Galaxy« wäre das wahrscheinlich gegangen, bei den »Monty Pythons« auch noch, aber in der aberwitzigen Realität nicht.

Panzer gegen Joghurtbecher

Träumen wird man wohl noch dürfen. Aber von wegen träumen? Ich gehe jetzt bewusst vom ganzen Leid weg, welches wie ein dichtmaschiges Netz über die Menschen in der Ukraine geworfen wurde. Ich würde gerne wissen, wie viel Metall alleine durch zerschossene Panzer, Raketen, Munition jetzt brach herumliegt. Alles Ressourcen, die wir sehr dringend anderswo brauchen würden, oder einfach einmal im Berg hätten lassen sollen. Alleine wie viel Energie hier vergeudet wurde. Dazu rüsten sich noch alle Nachbarländer bis auf die Zähne auf. Ich nehme das jetzt keiner angrenzenden Nation persönlich übel, aber während dem so ist, sammeln wir brav die Deckel von Joghurtbechern und entsorgen sie im Altmetall, fahren klapprige Vintage-Räder, damit nicht noch das letzte Erzgebirge abgetragen wird, überlegen uns, ob wir nicht gleich auf die Milch verzichten sollen, da wir kein Rindfleisch mehr essen, und atmen dabei tief durch, wenn wir bedenken, dass der Ukraine-Krieg und die aktuellen Auswirkungen die nächsten Klimaziele, Agenda 2030 bzw. die Klimaziele 2050, ins Wanken bringt. Macht es dann noch Sinn, einen Joghurtbecher in drei Sorten Müll zu entsorgen?

Lamm und Bio-Wein – ist das falsch?

Am Abend, nachdem wir laufen, golfen, kicken oder zumindest spazieren waren – Bewegung hält uns bekanntlich fit, überlegen wir uns bei einem oder zwei Glas biodynamischen & biologischen Demeter Wein und einem Stück Slow-Food-Lammkrone, ob wir hier oder dort noch unser Leben nachhaltiger optimieren können und wir fragen uns schlussendlich, ob das alles nicht arrogant ist, wenn man rund 1000 km Luftlinie entfernt nicht weiß, ob man am nächsten Tag nochmals die Augen öffnen wird. Aber da stelle ich jetzt einmal die Gegenfrage: Geht’s den Menschen in der Ukraine besser, wenn ich hier schlecht lebe? Nein. Ich glaube, dass ein gewisser Wohlstand durchaus an höhere Ziele, wie Umweltschutz und Energiereduktion, denken zulässt und zugleich die Welt als Gesamtes jetzt nicht aus den Augen verliert. Bertolt Brecht hat schon gesagt, zuerst komme das Fressen, dann die Moral. Mit dem Denken verhält es sich nicht anders. Dieser verdammte Krieg und auch COVID-19 ändern nichts daran, dass wir unsere Hausaufgaben machen sollten. Vom Einkaufen bis zum Häusl bauen sollte unser Handeln reflektiert sein, inklusive ein paar bewusste Sünden. Und natürlich ja, wir brauchen Alternativen. Andere Denkmodelle, andere Lebensformen. Ich glaube, es gibt keine Alternative dafür, dass es Alternativen geben muss. Mehr darüber in unserem 40plus Talk, dazu noch einen schönen Sommer und kommen Sie gut in den Herbst.

Martin G. Wanko, Chefredakteur

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