Pandoras kleine Schwester: Entspannung muss nicht albern sein.

Bernd Hecke und Kapelle legen mit »Titanic« ihren 2. Tonträger vor.

Vor rund 15 Jahren war Bernd Hecke noch ein ganz ein Braver. Da erzählte er mir von einer sagenhaften Relaxtheit, die ihn maximal zu einem Unplugged-Konzert von Dr. Kurt Ostbahn bei einem exzellenten Heurigen hervorlockt. No jo, von damals bis heute ist’s frei nach Hecke »a brader Weg«. Neben der Family das Wichtigste in Heckes Universum: Er macht seit einigen Jahren selbst Musik und legt mit »Titanic« seinen 2. Tonträger vor.

»Da klane Rotzbua«, klingt nach Nachkriegs-Swing, so wie man ihn an damaligen Wiener und Berliner Bars erwarten durfte, mit US-Besatzungssoldaten, die sich rauchend einen Whiskey Sour bestellen, dem nächsten schlanken Bein nicht abgeneigt sind und sich dem Treiben im Nachkriegswien hingeben. Und daneben eben die Band. Textlich schön mit Abgründen, Ludwig Hirsch lässt grüßen. Das müsste eigentlich die Single werden.

Dazu kommen immer wieder Lieder mit einer gewissen Verzweiflung. »Morgen« sei hier hervorgehoben. »Alleine auf der Straße, vor deinem Fenster…«, singt Hecke. Dunkel ist die Nacht, die Verzweiflung muss groß sein, die Instrumentierung lindert jedoch den Schmerz. Schweres Piano, Inge Zelinka-Roitners rettende Stimme durchdringt die Einsamkeit, die am Sänger wie Pech und Schwefel haftet. Sehr schön, eigentlich.

Plötzlich singt Hecke Hochdeutsch, so ohne österreichischen Dialekt, auch schön. »Englisches Mädchen«. »Türkisches, indisches, himmlisches« Mädchen, was haben wir in der Autofahrt alles verstanden, aber Hauptsache Mädchen. Klingt jetzt irgendwie nach 80er-Jahr-Pop, als gutsituierte Eltern ihre Kinder noch nach England auf Sprachferien geschickt haben, und diese natürlich sofort auf dortige Bekanntschaften aus waren.

Hier passt »Vom Leben verführt« dazu. Die große Schwester, die nicht weiß, wohin sie geht, aber dennoch bewundert wird. Überhaupt ist die CD als Hommage an die Damenwelt zu werten.

Einmal muss jeder danebenhauen, sonst ist eine CD nicht echt, für andere wird es jedoch ein tolles Lied sein. Bei »I waß net« glaubt der Hörer, man ist jetzt bei Brigitte Xander und Rudi Klausnitzer im Ö3 Wecker, 1970. I waß net, Bernd, warum nur? Aber auch hier, sehr gut instrumentiert.

»Nebel & Sunn« – eine Hommage an STS? Kann ja sein, auf alle Fälle viel G’fühl, rinnt richtig aus der Anlage. Verstörend schön wirkt das letzte Lied am Tonträger, namens »Christen«. »Großer Gott, wir bitten dich…«, kommt es aus dem Lautsprecher. Oida, echt jetzt? Ja. Hecke setzt sich mit dem Christengott und seinen Lemmingen auseinander. Jetzt wieder Hochdeutsch. Schön verstörend, hinten raus ein bisschen garstig, das geht sich dann auch in Fritz Ostermayers FM4-Sumpf aus, könnte aber auch im berühmten Ö3-Giftschrank landen.

Fazit: »Titanic« gibt’s schon einmal am österreichischen Musikhimmel. Ein gewisser Falco legte damit 1992 einen kurzen Zwischenstopp – mit Chartplatzierung – vor seinem Untergang hin. Damals füllte
Falco außerhalb von Wien gerade noch Großraumdiscos, nur will das heute keiner hören. Anyway, Hecke und Zelinka-Roitner machen Erwachsenen-Pop, nicht zwanghaft jung füllen sie noch keine Großraumdiscos, dafür gehen sie mit ihrer »Titanic« auch nicht baden. Ist ja schon einmal was!

Pandoras kleine Schwester
„Titanic“, wakmusic

Wo könnte man die Band auftreten lassen? Heute geht das rein zwischen den Lokalen Pink Elephant am Eisernen Tor und der Cohi in der Leonhardstraße, die Kleinbühne am Stadtfest oder das Porgy and Bess in Wien. Easy Listening auf deutsch. Passt zum Glück nicht in die neue Austro-Rock-Pop-Schiene. Ein Kompliment.

Text: Martin G. Wanko

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