Peter Liaunig: Sammeln als Rauschzustand.

Peter Liaunig hat die Leitung des Museums übernommen und schaut, dass mit aller verfügbaren Energie das Museum weiter Kurs hält.

Nicht immer werden die Kinder von kunstinteressierten Eltern vom selben Virus infiziert. Bei Ihnen war das jedoch so, oder?

Ich hatte das Glück in einer kunstaffinen Familie aufzuwachsen, aber letztlich wohnt jedem von uns das Gefühl/Gespür für das Schöne inne und es bedarf nur der Weckung. Kinder sind (ausnahmslos) ungeheuer kreativ, nur wird durch vielerlei Einflüsse und Ablenkungen diese Kreativität oft überlagert.

Wie würden Sie persönlich das Museum Liaunig in einigen Sätzen beschreiben?

Großartige Sammlungen in großartiger Architektur in großartiger Landschaft, betrieben von vielen leidenschaftlich Menschen. Eine große Kulturaufgabe, die viel Arbeit und Freude macht.

Sie leiten das größte Privatmuseum Österreichs. Wie herausfordernd ist es, ein Museum in dieser Größe zu leiten? (Auch wenn Sie es seit der Planung kennen.)

Wir sind ein Familienbetrieb. Mein Bruder hat die Firmenleitungen meines Vaters übernommen und muss jenes Geld erwirtschaften, das wir für den Betrieb des Hauses benötigen. Zur Verbildlichung erkläre ich immer, dass man auf jedes 16-Euro-Museumstickets noch 60 weitere drauflegen muss, damit es funktioniert. Und absolut wesentlich ist hier die Museumsmannschaft, die die erweiterte Familie darstellt. Wir sind schlank aufgestellt und jeder Mitarbeiter ist unerlässlich.

Ich habe nachgelesen, dass Sie für die Hängung der Bilder im Museum gerne die Verantwortung übernehmen. Stimmt das?

Das lasse ich mir nicht entgehen! Ich bin von Beruf her Architekt und im Museum bauen wir jedes Jahr die Innenarchitektur des Hauses um (in der Haupthalle gibt es nur eine fixe Querwand), was ich als Lego für Erwachsene bezeichne. Der Umbau und der Aufbau einer Ausstellung ist unglaublich spannend und ich habe hier im Zusammenspiel mit sehr kompetenten Kuratoren*innen die Möglichkeit, viel auszuprobieren. Und es redet kaum jemand dazwischen – man muss aber auch mit teilweise sehr direkten Kommentaren der Familie und anderer Experten umgehen können. Aber wie erwähnt macht das viel Spaß und man lernt auch extrem dabei. Man kann mit wenigen Handgriffen und Interventionen den Charakter eines Raumes diametral umstülpen.

Rund 4.000 Kunstwerke beherbergt das Museum Liaunig. Wie behält man hier den Überblick?

Ordnung, Struktur, Gewissenhaftigkeit und viel Kommunikation sind unerlässliche Faktoren dabei. Wir haben ein eigenes Archivierungssystem (am Computer plus einen analogen Ausdruck davon) und jedes Bild oder Objekt hat eine Nummer und einen Standort. Verschiebungen (Leihverkehr, Ausstellungen) müssen akribisch dokumentiert werden und jeder im Team muss sich auf den jeweils anderen verlassen können. Das lernt man unfreiwillig schnell, denn eine Suche nach einem Objekt kostet ein Vielfaches an Zeit. Unsere Sammlungsleiterin muss also genau sein, aber meine Mutter ist es als ehemalige Buchhalterin ebenso. Doppelt hält besser und der Hausverstand sollte auch immer eingeschaltet sein.

Dann und wann wird man wohl die Depots abgehen und sich fragen, von welcher Kunst man sich trennen wird müssen, damit Neues kommen kann, oder?

Mein Vater sagte völlig zurecht immer, dass man den wahren Sammler daran erkennt, dass er immer Platznot hat. Wir trennen uns im Grunde nie von Arbeiten. Wir haben einmal vor vielen Jahren eine Schenkung gemacht und danach versucht, gleichwertige Stücke zu bekommen. Bis heute »trauern« wir den Stücken nach.

Gibt es Kunstwerke (bzw. Künstler), wo man es verabsäumt hat, sie zu kaufen?

Eindeutig ja! Aber es gibt keine komplette Sammlung und das ist letztlich gut so, denn andernfalls würde man sich ja auf Lorbeeren ausruhen. Meine Mutter ist auch jene Person, die immer wieder in Erinnerung ruft, dass wir nach vorne sammeln müssen. Jetzt einen Picasso zu kaufen ist letztlich eine reine Geldsache, aber den Picasso von morgen zu finden ist die Herausforderung.

Ihre Wien-Wohnung wirkt sehr freundlich – vor allem ist sie mit viel Licht und vielen Wänden ausgestattet. Für die vielen Kunstwerke, oder?

Licht ist ein so elementares Element im Leben und ich bin absolut der Meinung, dass man genug davon bekommen sollte/muss. Ich mag gerne helle und großzügige Räume und meist tut das Menschen und der Kunst gut. Man soll sich halt wohlfühlen. Wir sind als Museum (leider) auch mittlerweile eine absolute Besonderheit, denn wir sind/haben ein Tageslichtmuseum. Der Leihverkehr ist eine Einbahnstraße geworden, weil man sich gerne von uns ausleiht, aber im Gegenzug nur dann etwas bekommt, wenn man abdunkelt. Ich halte das für eine absolut falsche Entwicklung und hoffe, dass hier bald eine vernünftige Balance gefunden wird. Auch wir wollen nicht, dass unsere Kunstwerke Schaden nehmen und haben daher spezielle Verglasungen und Schutzmaßnahmen gesetzt. Und man hängt auch keine sensiblen Papierarbeiten ins pralle Sonnenlicht. Aber es ist letztlich ebenso wichtig, dass ein Weiß ein Weiß bleibt und kein Eierschalengelb wird. Aber genau das passiert sehr oft bei Kunstlicht.

Nach welchen Gesichtspunkten sammeln Sie Kunst? (Ihre Wohnung in Hernals ist ja ebenfalls sehr gut bestückt).

Alles was Freude macht. Alles was neugierig macht. Alles was einen irritiert. Das Problem liegt letztlich in der Selbstdisziplinierung. Manchmal ist es die Schönheit die einen fängt, manchmal die Banalität, manchmal die handwerkliche Perfektion, manchmal… Freude ist aber immer ein wesentlicher Bestandteil. Ohne diese hält man nie lange durch.

Gibt es für das Museum Liaunig Pläne?

Wir wollen immer besser und zugleich auch bekannter werden. Wir haben kein Etat für Werbemaßnahmen, aber wir wollen mit guten Ausstellungen Freude bereiten und mit unseren Besuchern in direkten Kontakt kommen. Wenn jemand einmal bei uns im Haus war, dann haben wir meist gewonnen, aber es gibt keine Zeit zum Ausruhen. Ich möchte künftig mit vielen anderen privaten Sammlern zusammenarbeiten und so den Horizont erweitern. Es gibt so viel zu entdecken. Mir ist klar, dass vieles hiervon pathetisch klingt, aber ich bin davon überzeugt, dass Kunst eine wunderbare Art der Kommunikation darstellt, ohne die wir als Herdentiere auf Dauer nicht funktionieren.

Interview: Martin G. Wanko

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