Triestiner Entspannung

Triest liegt bekanntlich eingeklemmt zwischen Meer und Karst-Plateau. Was den Vorteil hat, dass einem stets zumindest zwei Optionen zur Auswahl stehen, um der Stadt zu entfliehen. Vor allem in der warmen Jahreszeit ist die Wahl dann auch gar nicht so einfach. Zum einen lockt das Meer, das sich hier, im Golf von Triest, besonders friedlich präsentiert und nicht selten so ruhig und glatt erscheint, dass man sich an einem See wähnen könnte. Und so ist es auch kein Wunder, dass es hier nicht nur etliche Segelclubs, sondern auch gleich mehrere Ruderclubs gibt, viele davon mit einer Geschichte, die bis in die Zeit der Habsburger zurückreicht.

Damals entstanden auch die ersten Seebäder, darunter etwa das berühmte Bagno Marino »La Lanterna«, im Volksmund Pedocin genannt. Dieses ist ein wahres Kuriosum, gilt es doch als das letzte Seebad in Europa, in dem Männer und Frauen in getrennten Bereichen baden. Als Trennung fungiert eine hohe, weiße Mauer, die sich 10 Meter ins Meer hineinzieht.

Gleich daneben liegt mit dem Bagno Ausonia eine weitere historische Badeanstalt, die zum Teil im Stil des Art Deco errichtet wurde. Hier werden in den Sommermonaten zahlreiche Aktivitäten geboten, darunter etwa Tanzkurse, eine Tausch-Bibliothek, Massagen und Yoga-Kurse bei Sonnenuntergang über dem Meer – und bei klarer Sicht auch noch mit Blick auf die Alpen. Einmal im Jahr werden die lokalen Meisterschaften der clanfe ausgetragen. Dabei handelt es sich um eine Wassersprung-Form, die man im Deutschen (etwas uneleganter) als Arschbombe bezeichnet.

Diese beiden sind zwar die zentralsten Badeplätze von Triest, die einzigen sind sie bei weitem nicht. Nur wenige Busstationen vom Zentrum in Richtung Norden und gleich nach dem weitläufigen Gelände des alten Hafens liegt der Stadtteil Barcola. Dort spendet eine Pineta, also einer dieser Pinienhaine, wie sie in den 1960er Jahren allerorts an italienischen Küsten ausgepflanzt wurden, den Badegästen Schatten und ermöglicht etliche Aktivitäten wie Volleyball oder Boccia. Gleich mehrere Kioske bieten Erfrischungen und Panini an.

Nur ein paar hundert Meter weiter beginnt dann der tatsächliche öffentliche »Badestrand« von Triest. Er besteht aus zwei Niveaus, die ausgestattet sind mit Umkleiden und Duschen. Auch hier gibt es eine ganze Reihe an Kiosken mit tollem Meerblick, Getränken und Snacks. Mehrmals ist die Anlage durch halbrunde Plattformen unterbrochen, die die Triester offenbar an Micky-Maus-Ohren erinnern, weswegen der gesamte Küstenstrich ab der Pineta als »Topolini« (Topolino = Mäuschen = Micky Maus) bekannt ist.

Streetart an der Mauer des Bagno Ausonia.

Zuerst an das Meer …

Während der Sommermonate bringt ein Passagierboot namens Delfino Verde Badegäste vom Stadtzentrum bis zum öffentlichen Strand in Barcola und weiter zu den Beachclubs in den beliebten Badeorten Grignano und Sistiana. Die Fahrt mit dem Boot hat den Vorteil, dass man dieserart den Staus ausweicht und zugleich einen Eindruck der Stadt, ihres Alten Hafens und der diversen Seebäder vom Meer aus erhält.

Eine feine Alternative zu Meer, Badespaß und Wassersport, bietet ein Ausflug auf das Karstplateau. Hier liegen die Temperaturen im Sommer bisweilen bis zu fünf Grad unter jenen in der Stadt. Zahlreiche Pfade durch das überwucherte Karstgebiet laden zum Spazierengehen oder Wandern ein. Eine besonders beliebte Strecke ist die sogenannte Strada Napoleonica, die vom alten Habsburg-Obelisken im Vorort Opicina die Karst-Kante entlang bis zur Wallfahrtskirche Monte Grisa führt. Und dabei bisweilen den Eindruck vermittelt, als schwebe man geradezu über dem Golf von Triest.

… und dann in den Karst.

Ein weiterer beliebter Wanderweg ist jener durch das Rosandratal im Südosten der Stadt. Er führt durch einen tiefen und dramatisch wirkenden Taleinschnitt im Karstplateau, entlang dem Rosandrafluss, vorbei an schroffen Felswänden und bis hin zu einem Wasserfall an seinem Ende. In dem Naturpark wurden Kletterpfade errichtet und werden Kletterkurse angeboten.

Ein weiterer Grund, um in den Karst zu fahren, sind freilich die lokalen Buschenschanken, die sie hier Osmizen nennen. Genau wie in Österreich gehen auch sie auf das sogenannte Heurigen-Dekret Kaiser Franz-Josefs II zurück, der den Winzer seines Reiches, zu dem damals auch Triest und sein Umland zählte, an bestimmten Tagen die Verabreichung von Wein gestattete. Man sitzt in lauschigen Gärten, zwischen Reben oder unter Bäumen und bestellt einfachen Landwein aus lokalen Trauben, wie Vitovska oder Terrano.Einige der Buschenschanken punkten zusätzlich mit atemberaubendem Blick auf die Stadt und das nahe Meer. Und plötzlich erkennt man: man muss sich ja gar nicht entscheiden, sondern macht am besten beides – fährt also zuerst in den Karst und dann ans Meer. Oder halt umgekehrt.

Text: Georges Desrues

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