Vom Faulpelz zum Chiller.

Entspannung ist vielseitiger, als man glauben mag, vor allem sollte sie positiv gesehen werden,
weiß 40plus-Autor Martin G. Wanko zu berichten.

Im klassischen Sinne kann man sich den Weg zur Entspannung so vorstellen, wie es einem im Yoga-Kurs erklärt wird: »Ihre Glieder werden schlaff, Sie werden langsam müde, Sie atmen gleichmäßig…« und schon befinden wir uns in der absoluten Entspannungsphase, wo einem so ziemlich alles egal wird, was einen noch vor einigen Minuten auf 180 brachte.

Im Idealfall ist der Zustand der Entspannung eine Oase der Ruhe, ein Rückzugsort, an dem man sich jederzeit begeben kann und so bezüglich des Herz-Kreislauf-Systems die Möglichkeit auf ein entspanntes und gesundes Leben hat. Wäre ein Optimum, denn Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind laut Gesundheitsministerium in Österreich für 38 Prozent aller Todesfälle verantwortlich. Aber so einfach ist es mit der Entspannung leider nicht. Wenn man auf fernöstliche Meditationsmethoden nicht anspricht, erzeugen sie eher das Gegenteil, nämlich Stress. Frei nach dem Motto: »Warum funktioniert der D… bei mir nicht?« Wie wäre es als Alternative mit einem Besuch in der Disko? Klingt doch schon viel besser!

Zum Entspannen Zocken

Wurde vor Jahren noch gewarnt, dass man sich mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen nur nicht zu viel bewegen soll, wird man nach heutigen Forschungsergebnissen geradezu zu mehr Bewegung aufgefordert. Regelmäßige Bewegung senkt den Blutdruck und macht einen grundsätzlich entspannter. Nicht umsonst kommt man sich beim Laufen nach einer gewissen Zeit tiefenentspannt vor. Dass sogar Videospiele zu einer Beruhigung führen können, zeigt eine Studie der University of Central Florida.
Es hat den Anschein, dass Entspannung dort beginnt, wo Freude und so auch Ablenkung im Spiel sind. So gesehen kann alles und nichts entspannend sein. Auch das berühmte Glas Wein, vielleicht auch zwei, sorgt für eine schnelle Entspannung. Entspannung ist jedoch nicht nur »lockeres Chillen«, sondern auch lebensnotwendig. Das Wort chillen war jedoch essentiell, damit im noch jungen Millennium »entspannen« positiv bewertet werden konnte. Denn lange Zeit war dem nicht so.

Dante Alighieris wäre heute auch entspannter

In Dante Alighieris »Göttliche Komödie« – entstanden im düsteren Mittelalter und doch schon im Sinne der Renaissance – war die Trägheit noch als eine der 7 Todsünden angeprangert. »Müßiggang ist aller Laster Anfang« ist im deutschsprachigen Raum nach wie vor eine alltagstaugliche Phrase. Schon klar, der Ursprung ist hier im Mittelalter zu finden, hier wurde ein Feld bestellt, wenn es zu bestellen war und Eisen geschmiedet, solange es heiß war. Durchaus verständlich, war alles Tun immer wieder an einen harten Überlebenskampf gekoppelt. Dennoch, die Zeiten zogen ins Land und aus Faulenzen oder nix tun wurde ganz unprovokativ »chillen«.

War der »Slacker« in der Generation X der auslaufenden 1980er-Jahre noch eine Art Systemverweigerer, wurde in der Generation Y das mehr oder minder kultivierte Chillen ein unerlässlicher Puzzleteil in der Freizeit- und Wohlfühlgesellschaft. Ob Serien schauen, Grillen, oder eine Runde Thermen gehen, Garteln, oder eben Löcher in den Himmel starren, alles ist erlaubt, in einer Gesellschaft, der die Inflation zwar den Schweiß ins Gesicht treibt, bleiben die Freizeitausgaben quasi stabil.

Text: Martin G. Wanko

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