Vom Marlboro-Mann zum Marathon-Mann

Über die Lust sich neu zu entdecken.

Ich halte nichts von großen Ankündigungen. Entweder macht man etwas, oder man lässt es sein. Wenn’s nicht funktioniert, ist auch nichts passiert. Dafür ist man um eine Erkenntnis reicher. Locker bleiben und schauen, ob was geht, das zahlt sich immer aus.

Ich bleibe eines Morgens im Bett liegen. Ich bin im Zwiegespräch mit meiner Lunge. Eigentlich bin ich nicht im Zwiegespräch mit ihr, sie begann einfach mit mir zu reden. Die Bronchien rasselten durch die vielen Zigaretten in der letzten Nacht. Wenn dein Körper mit dir spricht, bleib cool.

Plötzlich war es ziemlich still und meine Lunge sprach zu mir: „Alter, ich habe dir lange genug Zeit gegeben, aber 25 Jahre rauchen, das muss reichen. Du kannst natürlich so weitermachen, aber superlange wird das mit uns dann nicht mehr gut gehen.“ Ich bekomme es mit der Angst zu tun, nicht so, als ob ich morgen tot umfallen würde, wenn ich nicht sofort mein Leben radikal ändern würde, aber mir ist klar, die Lunge sprach noch nie zu mir, es scheint ihr ernst zu sein. Ich sollte besser auf meinen Körper schauen.

Wenn nichts mehr geht, mache neu!
Noch am selben Tag fahre ich in das Einkaufszentrum meines Vertrauens und schaue mich nach Laufschuhen um. Ich will nicht irgendwelche Laufschuhe, ich bin so eher der Marken-Typ, eine Marke gibt ja auch Sicherheit, aber für den Anfang greife ich zu einem Angebot. Ähnlich treffe ich auch die Wahl eines Laufshirts und eine Jogginghose habe ich ja zu Hause.

Einfach Laufschuhe anziehen und ein anderer Mensch sein, denkt man
Laufschuhe, zwei Shirts, das muss irgendwie reichen, der Betrag bleibt im zweistelligen Bereich – mein Gott, denke ich mir, wenn’s nix wird, werfe ich das Zeug in eine dunkle Ecke und nichts ist passiert! Kein Mensch wird sich aufregen! Aber ich hoffe eigentlich schon innig, dass sich da eine längere Freundschaft entwickelt. Positiv denken kann kein Fehler sein.

Und was ist, wenn du umfällst?
Am nächsten Morgen stehe ich normal wie immer auf, 06:15 Uhr. Ich bin ein Freund des Sonnenaufgangs und meine Familie, Frau und Tochter, waren schon immer Freunde eines frischen Kaffees, den sie nicht selber brühen müssen. An diesem Morgen baue ich mich vor meiner Frau auf, als sie an ihrem zweiten Kaffee nippt. Sie schaut mich an, als wäre ich ein zweiköpfiges Kalb, ganz genau der Blick, den Partner draufhaben, wenn sie vom anderen überrascht werden, aber jetzt eher ungewollt. Noch nie sah sie mich in einer Mode stecken, die definitiv zu keinem anderen Zweck als zu einer kurz bevorstehenden sportlichen Betätigung üblich war. Ich setze ein Lächeln auf und ergreife die Initiative: „Ich gehe jetzt mal eine Runde joggen, ich brauch das jetzt!“ Mein morgendliches Gespräch mit der Lunge verschweige ich ihr lieber. Sie schüttelt den Kopf und schaut mich unglaubwürdig an. „Und was machst du, wenn du umfällst?“, fragt sie nach. Ich grinse, jetzt aber nicht, weil alles so lustig ist, eher aus Verzweiflung, meine Frau findet das nicht gut, was ich mache. Wenn ich umfalle, dann ruf ich dich mit meinem Handy an und du musst mich nach Hause schleppen!“ Sie schüttelte abermals den Kopf und geht zur Arbeit. Ich kann mich noch an ihren Blick erinnern. Was soll denn das jetzt schon wieder, hast du zu wenig zu tun, oder was? Fangt bei dir die Midlifecrisis an? Und überhaupt, Sport war bis dorthin noch nie dein Ding! Vielleicht sollte ich mich schämen dafür, aber meine größte sportliche Errungenschaft in den letzten Jahren war das Schleppen der Wochenendeinkäufe in den zweiten Stock oder die Koffer für den Urlaub ins Auto. In Venedig bekam ich schon einen hochroten Kopf inklusive Wutausbruch und leichtem Orientierungsverlust, als wir die Koffer durch halb San Marco zerren mussten. Sogar die Tauben und Möwen lachten mich aus, aber das ist eine andere Geschichte.

Text von: Martin G. Wanko

 

Fortsetzung ist sicher.

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