Aspekte der reproduktiven Gesundheit

Landesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl und Fertilitätsmediziner Prim. Priv. Doz. Dr. Michael Schenk im Gespräch.

Landesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl und Fertilitätsmediziner Prim. Priv. Doz. Dr. Michael Schenk beleuchten verschiedene Aspekte der reproduktiven Gesundheit.

Kornhäusl
LR Dr. Karlheinz Kornhäusl Foto: © LandSteiermark
Schenk
Prim. Priv. Doz. Dr. Michael Schenk. Foto: © Florian Lierzer

Prim. Priv. Doz. Dr. Michael Schenk: Als ärztlicher Leiter des Kinderwunsch Instituts ist es mir ein Anliegen, Patientinnen über all die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin aufzuklären. Viele Paare wenden sich erst nach Jahren vergeblichen Versuchens und Ausbleiben einer Schwangerschaft an uns. Herr Landesrat, wie kann die öffentliche Sensibilisierung für reproduktive Gesundheit und die Zugänglichkeit von Informationen verbessert werden?

LR Dr. Karlheinz Kornhäusl: Ein Kind zu bekommen, ist eine höchstpersönliche und höchst sensible Entscheidung. Wir wissen, dass leider nicht jeder Kinderwunsch in Erfüllung geht. Umso wichtiger ist es, möglichst niederschwellig und breit angelegt Informationen und Begleitung auf unterschiedlichen Wegen anzubieten. Denn vielen ist nicht bewusst, dass physische, psychische oder umweltbedingte Faktoren den Erfolg der Familienplanung beeinflussen können. Sie selbst sind ja enorm engagiert was die Aufklärungsarbeit angeht.

Prim. Priv. Doz. Dr. Michael Schenk: Zum einen kooperieren wir mit Schulen im Rahmen unseres Projekts „Mikrowunder“. Zum anderen schaffen wir mit der „Initiative 32“ Bewusstsein für das zunehmende Sinken der Eizellreserve ab 32 Jahren. Heutzutage konzentrieren sich viele Paare erst auf die Karriere und erkennen mit Mitte dreißig, dass die Fruchtbarkeit bereits abgenommen hat. Dank der Initiative können wir das Durchschnittsalter auf 32 Jahre senken. Was wir als zertifizierte Eizell- & Samenbank beobachten, ist, dass das Spenden sowie Egg-Freezing und Social-Egg-Sharing an Bedeutung gewinnen. Ist das ein relevantes Thema für eine gesamtgesellschaftliche Diskussion?

LR Dr. Karlheinz Kornhäusl: Auf jeden Fall! Es geht auch hier um höchstsensible und höchstpersönliche Entscheidungen, die mit Konsequenzen verbunden sind. Bewusstseinsbildung und vor allem ehrliche Aufklärung darüber, was es konkret bedeutet, sich beispielsweise Eizellen entnehmen zu lassen – Stichwort Hormongabe – sind wesentlich. Was ich in Österreich aber keinesfalls sehen möchte ist, dass junge Frauen der Karriere wegen zu Egg-Freezing gedrängt werden, wie es in anderen Ländern der Fall ist, und so ihre Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Familienplanung eingeschränkt wird. Was raten Sie jungen Menschen?

Prim. Priv. Doz. Dr. Michael Schenk: Wir raten jenen, die schon in jungen Jahren wissen, dass sie eines Tages Kinder haben möchten, zum Fertility Check-Up. Denn „speed is the name of the game“ und die frühzeitige Gewissheit über den Hormonstatus, die Eizellreserve oder die Samenqualität bringt wesentliche Vorteile mit sich. Eine frühzeitige Behandlung bedeutet in vielen Fällen auch weniger invasive Maßnahmen. Ebenfalls wichtig ist der persönliche Lebensstil. Welche Präventionsstrategien können diesbezüglich der Gesellschaft nähergebracht werden?

LR Dr. Karlheinz Kornhäusl: Jede und jeder von uns hat selbst in der Hand, gute Entscheidungen für sich zu treffen. Aus meiner Sicht müssen daher das Gesundheitsbewusstsein und die Freude an Bewegung und ausgewogener Ernährung möglichst früh gefördert werden. Außerdem ist es wesentlich, wissenschaftlich fundierte Informationen niederschwellig zur Verfügung zu stellen, wie es auf der Webseite gesund-informiert.at des Gesundheitsfonds Steiermark der Fall ist. Ein dritter Punkt: Die HPV-Impfung, die de facto eine Impfung gegen Krebs ist, muss für die Menschen genauso selbstverständlich werden, wie eine Tetanusimpfung oder Zeckenimpfung.

Prim. Priv. Doz. Dr. Michael Schenk: Da ich selbst als Privatdozent tätig bin und wir ein hauseigenes Forschungszentrum führen, kann ich der Bedeutung von Wissenschaft nur zustimmen. Wie könnten politische oder universitäre Maßnahmen die Forschung und Entwicklung unterstützen?

LR Dr. Karlheinz Kornhäusl: Wie heißt es so schön: Beim Reden kommen die Leut‘ zusammen. Zahlreiche großartige Projekte kamen durch Gespräche auf Kongressen und Weiterbildungen zustande. Schon aus eigenem Interesse sollte daher der Austausch mit nationalen und internationalen Kolleginnen, Expertinnen gesucht, ermöglicht und gefördert werden. Die Politik kann nur den Rahmen schaffen, um den Forschungsstandort Steiermark noch attraktiver zu gestalten.

Prim. Priv. Doz. Dr. Michael Schenk: Ein großartiges Projekt, das mir hierzu einfällt, ist „Fertiprotekt“. Es bietet Personen mit einer vorhergegangenen schwerwiegenden Krankheit, ein Netzwerk an Zentren im deutschsprachigen Raum, die mit fertilitätsprotektiven Maßnahmen helfen, den Kinderwunsch zu erfüllen. Tagungen, Kongresse und Fortbildungen sind auch ein entscheidender Faktor in meinem Team. Das betrifft die Medizin ebenso wie die Technologie. Sehen Sie die Integration neuer Technologien in medizinischen Einrichtungen als herausfordernd?

LR Dr. Karlheinz Kornhäusl: Im Bereich eHealth nimmt die Steiermark eine Vorreiterrolle ein: Programme wie HerzMobil oder Teledermatologie verbessern die Gesundheit und die Lebensqualität der Patient*innen – und konnten einfach in den Arbeitsalltag der beteiligten Einrichtungen integriert werden. Wir wollen auch in Zukunft stark in digitale Gesundheitslösungen investieren, weil wir dadurch ein medizinisches Angebot schaffen, unser Gesundheitspersonal entlasten und die bessere Versorgung in allen steirischen Regionen ermöglichen. Egal wo jemand lebt, die Gesundheitsversorgung darf keinen Unterschied machen. Inwiefern nutzen Sie neue Technologien?

Prim. Priv. Doz. Dr. Michael Schenk: Wir investieren laufend in den Ausbau des E-Health-Bereichs, um Patientinnen bestmöglich zu versorgen. Die 24/7 Hotline ist ein wichtiger Aspekt, unser digitaler Fruchtbarkeitstest, der neue Maßstäbe in der Früherkennung setzt und die Vorteile von Videobesprechungen. Diese erleichtern die Betreuung von Patientinnen im Ausland und vermeiden unnötige Fahrten, was einen Beitrag zur Umwelt leistet.

Moderation: Julia Strempfl

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