Die eigentlichen Trüffel-Kaiser.

Sollte man diesen Herbst einen Abstecher nach Istrien wagen, wird man an den Trüffeln kaum vorbeikommen.

Als ich vor bald 20 Jahren ins Piemont zog, in eine Kleinstadt nahe der berühmten Stadt Alba, warnten mich Bekannte wiederholt vor den Trüffeln, die in der Region verkauft werden. Das seien gar keine echten Alba-Trüffel, hieß es da meistens, sondern Trüffel von ganz anderswo, vermutlich aus Istrien. Nun, dass die Pilze aus Istrien kamen, ist durchaus denkbar. Gesichert ist indessen, dass sie nicht aus Alba stammen. Denn in Alba gibt es gar keine Trüffel. Ganz einfach, weil Alba eine gepflegte piemontesische Kleinstadt ist, mit hübschen Piazze, mit engen Gassen und schicken Fußgängerzonen. Aber ohne Wälder, in denen Pilze wachsen würden.

Albeser Erfindungsreichtum.

Dass die begehrteste unter den Trüffelsorten, nämlich die weiße (Tuber magnatum pico), dennoch den Namen der Stadt trägt, ist einem gewieften Albeser Hotelier zu verdanken. Er kaufte in den 1950er Jahren die Exemplare auf den Märkten rund um Alba auf und verkaufte sie in seiner Heimatstadt weiter. Zudem gebar er die Idee, jedes Jahr das größte Exemplar darunter an eine international prominente Person zu verschenken, die dann auch nach Alba eingeladen wurde und in seinem Hotel abstieg. Und so entstand der Mythos der Alba Trüffel. Und es begann ein regelrechter Trüffeltourismus, der etliche Besucher aus aller Welt ins herbstliche Piemont lockte, um dort den begehrten Pilz zu essen, beziehungsweise im Rahmen von organisierten Touren zu suchen.

Zu der Zeit war Istrien noch Teil des sozialistischen Jugoslawiens – und an so was wie »Trüffeltourismus« folglich
gar nicht zu denken. Weswegen es durchaus plausibel ist, dass sich, vor allem in sammeltechnisch weniger guten Jahren, die Händler vom Albeser Trüffel-Markt mit den billigeren Pilzen von der Adria-Halbinsel versorgten, nur um sie um teures Geld in ihrer Heimat weiter zu verkaufen. Doch diese Zeiten sind längst vorbei.

Denn auch nach Istrien reisen inzwischen Trüffel Begeisterte aus aller Welt, um in den Monaten von Oktober bis Januar in den lokalen Konobas Fleisch- und Pasta-Gerichte mit der begehrten Weißen Trüffel zu essen. Zudem werden auch hier längst Kurse angeboten, bei denen man lernt, wie damit in der Küche umzugehen ist, beziehungsweise die beliebten Trüffel-Touren mit trainierten Hunden.

Bild: Martin G. Wanko

Trüffel ist nicht gleich Trüffel.

Gründe, um ihre Pilze an die piemontesischen Kollegen zu verkaufen, haben die Istrier also keine mehr. Zumal die Ausbeute gerade in den letzten Jahren nicht gerade ausgiebig ausfiel. Das wiederum liegt an den trockenen Herbsten und Wintern, die in Istrien, wie im gesamten Mittelmeerraum, immer öfter vorkommen. Zu wissen ist aber auch, dass es von den knapp hundert Trüffelsorten, die es weltweit gibt, gleich vier auf der Adria-Halbinsel heimisch sind. Was bedeutet, dass man hier nahezu das ganze Jahr über Trüffel essen kann.

Unter diesen gilt die Weiße Trüffel, also die sogenannte Alba-Trüffel, freilich als die geschmacklich intensivste, seltenste und teuerste. Sie kommt ausschließlich von Oktober bis Ende Dezember, in manchen Jahren und je nach Witterung auch noch im Jänner vor. Gekocht werden darf sie nicht. Vielmehr entfaltet sie ihren Geschmack am besten, wenn sie roh über warme Speisen gehobelt wird.

Mit ihren weitaus billigeren schwarzen Verwandten, von denen sich eine (Tuber aestivum) auch in den Sommermonaten findet, verhält es sich indessen völlig konträr. Sie gehören erhitzt, beziehungsweise mitgekocht, um ihren Geschmack an die Speisen abzugeben. Und wenn man das richtig macht, werden auch sie zu einer absoluten Delikatesse. Und zwar zu einer, im Vergleich zur Weißen, bisweilen ums zehnfache billigeren. Wird sie allerdings, wie das immer wieder vorkommt, einfach nur über die Speisen gehobelt, dient sie lediglich dazu, den unwissenden Gast zu beeindrucken und ist ihr Geld nicht wert. Denn diese Art des Umgangs ist ausschließlich jener edlen Sorte vorbehalten, die sie Alba-Trüffel nennen. Auch wenn die in Alba – im Unterschied zu Istrien – gar nicht vorkommt.

Text: Georges Desrues
Titelbild: unsplash

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