Im Zeichen der Biodiversität.

Werter Herr Paill, danke, dass Sie mit uns dieses Gespräch führen. Das Magazin 40plus versteht sich als Magazin, welches die Nachhaltigkeit propagiert. Darf ich Ihre persönliche Meinung zum Thema Nachhaltigkeit wissen?

Sich dem Einfluss des eigenen Lebens und Handelns (und damit jeder einzelnen Entscheidung) auf das restliche und zukünftige Leben aller Organismen, inklusive ihrer ökosystemaren Funktionen, bewusst sein, bedeutet für mich nachhaltig zu denken.

Drei Sätze zu Ihrem Job im Joanneum.

Ich bin Leiter der Abteilung Naturkunde am Universalmuseum Joanneum. Damit bin ich für das Naturkundemuseum genauso verantwortlich, wie für die dahinterstehenden Sammlungen im Studienzentrum Naturkunde in Andritz. Hier arbeiten meine Mitarbeiter*innen, sie pflegen die Sammlungen, forschen an ihnen und tragen Erkenntnisse über unterschiedliche Formate (Ausstellungen, Indoor-Veranstaltungen, Exkursionen) in die Öffentlichkeit.

Darf ich Sie bitten, in einigen Worten die STEIERMARK SCHAU 2023 »Vielfalt des Lebens« für
unsere Kärntner Leser*innen zu konkretisieren?

Die zweite Ausgabe der von Landeshautmann Christopher Drexler initiierten STEIERMARK SCHAU findet in der Tierwelt Herberstein in der Oststeiermark statt. Das Haus der Biodiversität und der Weg der Vielfalt, beide langfristig angelegt, widmen sich dem brisanten und hochaktuellem Thema des Verlustes der biologischen Vielfalt. Im bis Anfang November 2023 aufgebauten mobilen Pavillon wird der Klimawandel in Kombination mit Weltraumforschung und Bildender Kunst thematisiert.

Sind Sie mit dem Erfolg zufrieden?

Die Rückmeldungen der Besucherinnen sind durchwegs sehr positiv. Besonders gefreut hat mich das E-Mail einer Grazer Lehrerin: »Da müssen alle hin! Alle unsere Schülerinnen – am besten alle steirischen Schulen – sollen dieses wichtige, vielleicht zukunftswichtigste Thema, bei dieser wertvollen Ausstellung erleben dürfen.«

Sind die Besucher im Grunde wissbegierig?

Die durchschnittlich hohe Verweildauer im Haus der Biodiversität ist ein Hinweis darauf, dass das Thema die Menschen interessiert und auch berührt. Viele Besucherinnen lassen sich auf unser ökopädagogisches Narrativ ein und sind von der unglaublichen Biodiversität der Steiermark begeistert. Während im mittleren Abschnitt eine stille Betroffenheit spürbar wird, steigt insbesondere am Ende der Ausstellung, durch die positiven Ausblicke, die Mitteilsamkeit der Besucherinnen.

Ein wesentlicher Punkt ist die Biodiversität. In welchen Punkten sehen Sie die Biodiversität in der Steiermark gefährdet?

Die Intensivierung sämtlicher Landnutzungsformen in den letzten 30-50 Jahren haben dazu geführt, dass heute mehr als 50 % der heimischen Fauna gefährdet ist. Doch weiterhin werden zu viele Gewerbeparks gebaut, Quellen gefasst, Flüsse gestaut, Wiesen umgebrochen oder aufgeforstet und alte Bäume aus Sicherheitsgründen entfernt, als dass diese laufenden Eingriffe durch die Bemühungen des Naturschutzes (inkl. unzähliger Idealisten) kompensierbar wären.

Eine Frage zu den invasiven Arten: Können wir unsere Gewässer gegen die Blaukrabbeninvasion schützen? (Sie wurden bereits in einem Zufluss im Gardasee gesichtet.)

In der Steiermark lebt bereits eine erhebliche, stetig steigende Zahl invasiver, gebietsfremder Arten. Häufige Ursache ihres Auftretens ist passive Verschleppung durch den exorbitanten Waren- und Personenverkehr. Oft wird die dauerhafte Etablierung durch die Folgen des Klimawandels begünstigt. Die Blaukrabbe dürfte in den Süßgewässern Österreichs allerdings wohl kaum stabile Populationen aufbauen können.

Für ein ausgestorbenes Lebewesen gibt es so gut wie keinen Weg zurück in die Biosphäre und ist ein fehlendes Glied in unserem Ökosystem, oder?

Korrekt. Global gingen schon unzählige Elemente des eng verwobenen Netzwerkes des Lebens für immer verloren. Für uns Menschen überlebensnotwendige Leistungen der Biodiversität, wie Ernährung und sauberes Trinkwasser, geraten damit zunehmend unter Druck.

Interview: Martin G. Wanko

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