Kunst & Geld

Wege zwischen Sammelleidenschaft und Investment: 40plus bittet den Top-Galeristen Gerhard Sommer und den Sammler Reinhard Diethardt zum Gespräch.

Was ist der Unterschied zwischen einem Sammler und einem Investor?

Gerhard Sommer:
Ein Sammler schaut, ob das Bild in seine Sammlung passt, geht von der Qualität des Bildes aus, es geht ihm um die Sache. Ein Investor schaut grundsätzlich auf den Namen. Als Investor muss ich Namen kaufen, damit nicht viel passieren kann. Es gibt auch Investoren, die zum Sammeln anfangen. Ein Sammler will das erworbene Bild nicht mehr hergeben, der Investor verkauft, wenn er dadurch einen Gewinn erzielt.

Reinhard Diethardt, Sammler

Reinhard Diethardt:
Ein Sammler sammelt aus Leidenschaft mit Liebe, vielfach geht es ihm darum, Künstler über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Ein Verkauf von Werken erfolgt nur im Ausnahmefall.

Kunst wird immer mehr zu einem beliebteren Investitionsobjekt. Woran liegt das?

Gerhard Sommer:
Bei der Kunst in der Vergangenheit hat es nie einen Einbruch gegeben. Auch wenn die Börse zusammengebrochen ist, hast du für Kunst noch immer etwas bekommen. Der Kunstmarkt bricht bei einer guten Qualität der Bilder nicht zusammen.

Reinhard Diethardt:
Das hat damit zu tun, dass bis vor kurzem Geld keinen Zinsertrag gebracht hat. Darüber hinaus brachte die Umstellung von Schilling auf Euro einen beachtlichen Preisanstieg mit sich, Schillingpreise waren in kurzer Zeit Europreise. Und durch die liquiditätsgetriebene Nachfrage stiegen die Preise weiter, sodass der Kunstmarkt von den Anbietern (Galerien/Auktionshäusern) als interessante Alternativanlage
angepriesen wurde bzw. wird.

Ab wann rentiert es sich, in Kunst zu investieren?

Gerhard Sommer:
Ab 10 Euro. Im Künstlerhaus war einmal eine Ausstellung, mit der einzigen Bedingung, dass Kunst nicht mehr als 10-20 Euro kosten darf. Jeder hat hier Kunst verkaufen oder kaufen können. Da konnte man einen Eisenberger schon um 10 Euro erwerben. Investieren kann man immer. Man findet um jedes Geld gute Bilder. Auf das Auge und das Gespür sollte man sich verlassen können.

Reinhard Diethardt:
Prinzipiell ab dem Preis eines Werkes, sofern das Werk aus welchem Grunde immer im Preis steigt.

Was ist der Unterschied zwischen Kunst und Aktien?

Gerhard Sommer:
Kunst hängt zu Hause im Wohnzimmer und ich kann mich jeden Tag daran erfreuen. Eine Aktie ist unpersönlich und extrem risikoanfällig. Bei einer Aktie habe ich eher die Panik, dass sie abstürzt, das ist kein Genuss. Wenn ein Bild im Wert fällt, gefällt es mir noch immer.

Reinhard Diethardt:
Kunstwerke machen Freude, erzeugen Spannung und geben Energie ab. Bei Aktien kann man sich nur über eine allfällige Wertsteigerung freuen.

Braucht man Gespür, Geschmack oder nur Geld, um in Kunst zu investieren?

Gerhard Sommer:
Man braucht vor allem einen guten Galeristen, auf den ich mich verlassen kann. Als angehender Sammler sollte mich wer wohin führen. Mit einem guten Galeristen geht das leichter.

Gerhard Sommer, Galerist -Gallerie Sommer

Reinhard Diethardt:
Neben Interesse gehört große Freude dazu, natürlich – wenn man Kunst als Anlage kauft – ist auch ein gutes Gespür nicht von Nachteil.

Stellen wir die Fragen einmal anders: Der Künstler sollte aber nicht ans Geld denken, wenn er mal malt, oder?

Gerhard Sommer:
Eigentlich nicht. Wenn ich Brus und Nitsch hernimm, die haben in jungen Jahren genau gewusst, das interessiert keinen, was sie hier machen. Als Zwanzigjähriger ein neun Meter Bild zu machen und nur damit man sich die Leinwand leisten kann, eine Woche zu hungern, das hat was. Nitsch hat das gemacht. Da ist es nicht ums Geld gegangen – irgendwann verkauft man dann auch.

Reinhard Diethardt:
Grundsätzlich sollte beim Künstler nicht Geld im Vordergrund stehen, bei wirtschaftlich erfolgreichen drückt sich Geldgier darin aus, dass Scharen von Assistenten beschäftigt werden, die dann Werke in ihrem Namen produzieren bzw. in deren Namen verkauft werden. Die Förderung von Künstlern durch öffentliche Mittel ist zwar auch nicht der Weisheit letzter Schluss, ermöglicht aber, dass so mancher Künstler nur dadurch in der Lage ist, kreativ zu sein und Werke zu erschaffen, da er sonst nicht überleben könnte.

Wie bekommt man das Gespür, dass ein Künstler sich entwickelt, der andere nicht.

Gerhard Sommer:
Wenn du dich mit der Kunst abgibst, Künstler kennen lernst, in Galerien gehst, dann entwickelst du ein Gefühl für die Sache. Dann geht man mit einem anderen Blick heran, wenn man noch unbekannte Kunst anschaut.

Reinhard Diethardt:
Indem man seine Werke genau studiert, um zu erkennen, ob er sich ständig wiederholt oder andere kopiert oder aber einen eigenen Weg geht, Themen selbstständig bearbeitet.

Was macht den Reiz einer Versteigerung aus?

Gerhard Sommer:
Man kann ab und zu ein Schnäppchen machen. Ansonsten ist es leicht aufzuzeigen, wenn alle im Raum aufzeigen. Hier ist es dann gut, wenn man sich ein Limit setzt. Man sollte nicht vergessen, dass hier noch zum ersteigerten Bild 30 % Abgaben dazu kommen.

Reinhard Diethardt:
Auktionen haben mittlerweile einen unglaublichen Umfang angenommen. Ich nehme daran kaum teil, habe zuletzt nur bei zwei Werken mitgeboten, die aber mein Limit überschritten haben. Dadurch, dass ich kaum daran teilnehme, haben sie für mich keinen besonderen Reiz. Einzig die Ergebnisse sind für mich von Interesse.

Ab welchem Kapital würden Sie raten, in Kunst zu investieren?

Gerhard Sommer:
Es gibt keine Untergrenze.

Reinhard Diethardt:
Diese Frage kann ich nicht beantworten, das hängt von der Ausgangsposition des einzelnen ab.

Zum Jahresende nicht uninteressant: Wann ist der Ankauf von Kunst von der Steuer abzuschreiben?

Gerhard Sommer:
Nur unter 800 Euro, ganz gezielt auf die Förderung von junger Kunst. Wenn man zum Beispiel eine Kanzlei aufmacht, kann man ein Repräsentationsbild kaufen. Das sollte jedoch mit dem Steuerberater ausgeredet werden.

Reinhard Diethardt:
Eine steuerliche Förderung ist für mich als Sammler nicht von Interesse, ich weiß gar nicht, ob es so etwas gibt.

Inwieweit sind Kunst und Markt berechenbar?

Gerhard Sommer:
Es kann immer was passieren. Es kommt zum Beispiel ein Krieg. Aber wenn man sich mit Kunst beschäftigt und sich umhört, ist es schon berechenbar. Dass Aktionisten teuer werden, weiß man. Wenn ein junger Künstler raufgeputscht wird, spürt man das auch.

Reinhard Diethardt:
Analysten versuchen immer bei Währungen, Aktien, Öl, Zinsen und auch Kunstwerken Trends zu prognostizieren, wenn Putin jedoch den Gashahn abdreht, ist alles anders. Berechnungen bzw. Überlegungen über wahrscheinliche Preisentwicklungen bei einzelnen Künstlern sind vielleicht bei Künstlern möglich, hinter denen weltweite Top-Galerien stehen. Aber auch hier sind Überraschungen nicht ausgeschlossen, wenn Künstler manchmal zu rasch gepusht werden.

Gallerie Sommer

Warum hat es zeitgenössische Kunst so schwer, sich langfristig zu behaupten?

Gerhard Sommer:
Qualität wird sich langfristig immer durchsetzen. Man ist im Zeitgenössischen live dabei, sieht wie der Künstler sich entwickelt. Ich sag zu meinen Kunden immer, sie sollen junge Künstler mitkaufen.

Reinhard Diethardt:
Dieser Feststellung muss ich widersprechen. Erstens muss man klären, was man unter zeitgenössischer Kunst versteht. Sind von 20-30 Jahren verstorbene Künstler noch Zeitgenossen? Als Zeitgenossen werden allgemeinhin Künstler verstanden, die nicht den » -ismen« zugeordnet sind, ab dem Modernismus; vielfach wird daher auch der Begriff Postmoderne verwendet, wobei mache sogar den Modernismus auch noch dazurechnen. Also da kommen wir gar nicht weiter, weil die gesamte Kunst des vergangenen Jahrhunderts von immenser Bedeutung ist. Heute lebende Künstler müssen erst ihren Weg machen, ob sie erfolgreich sind, lässt sich im Einzelnen nicht voraussagen. Aber auch unter Ihnen wird es welche geben, die später als große Meister gefeiert werden.

Stellen Graffiti-Künstler wie Banksy den Kunst-Markt auf den Kopf?

Gerhard Sommer:
Nein. Banksy hat jedoch tolle Sachen gemacht. Der Kunstmarkt ist ein Geschäftsfeld, mit dem Banksy als Künstler nichts mehr zu tun hat. Hier wird mit Vervielfältigungen und absurden Ausstellungen Unsummen von Geld gemacht. Am verrücktesten sind die Anbieter, die um ein geringes Entgelt Werke von ihm vermarkten, die sich jeder herunterladen und ausdrucken kann. So kann in jeder Firma eine Banksy Ausstellung stattfinden.

Reinhard Diethardt:
Graffiti Künstler sind eine Randerscheinung.

Stichwort: NFT-Bild. Ist das mehr als ein kurzer Modetrend?

Gerhard Sommer:
Es ist jetzt schon wieder weniger geworden. Ich kenne aber keinen einzigen Künstler, der echt einen Schnitt gemacht hat.

Reinhard Diethardt:
NTF-Bilder sind aufgelegter Unsinn; was Zukunft haben könnte sind Kunst-Token (Anteile an realen Bildern), indem ein Bild auf Bitcointechnik basierend verschlüsselte Anteile »zerlegt« wird, die an einer Börse gehandelt werden könnten. Jeff Koons meinte einmal: »Das Business hat mir immer Spaß gemacht. Denn Geld bedeutet Unabhängigkeit und Sicherheit im Leben. Was soll daran falsch sein?« – Kann man sich so den »modernen« Künstler vorstellen?

Gerhard Sommer:
Nicht immer. Es gibt Künstler, die gute Manager sind. Es gibt auch den Künstler, der nur malt, dem ist alles andere egal. Es kann auch sein, dass der dann hungert. Koons ist Manager, der kann sich präsentieren. Der kann sich verkaufen – das ist aber nicht große Kunst, sondern großes Management. In den USA ist es auch anders als in Europa. Dort geht es schneller ums Geld, weil der Markt dafür da ist. Bei uns sind bloß 2 % an Kunst interessiert. Der größte Vorteil: Kunst schreibst du in den USA zu 100 % ab. Da schenkt ein Unternehmer das erworbene Bild zum Beispiel dem Museum of Modern Art, bekommt darunter eine Danksagung auf einer Messingtafel und erwirbt sich so ein gutes Image. Das würde auch bei uns die Wirtschaft und staatliche Museen beleben. Warum das nicht möglich gemacht wird, ist mir schleierhaft.

Reinhard Diethardt:
Die Aussage, dass Geld unabhängig macht, ist keine besondere Weisheit. Jeff Koons sagt es deshalb, um seinen nunmehrigen wirtschaftlichen Erfolg damit zu zeigen. In Wirklichkeit war es bei Jeff Koons nicht immer so, sondern er war auch schon pleite. Ein Freund von mir (nun erfolgreicher eigenständiger Künstler in New York) hat für Koons mehrere Jahre gearbeitet und dann aufgehört, da er sechs Monate kein Gehalt bekommen haben soll. Koons war, ehe er seine Kunstkarriere startete, 6 Jahre Broker an der Warenbörse, sein Hang zu Geld hat also nicht nur mit Kunst zu tun.

Moderation: Martin G. Wanko

Bildhinweise: Reinhard Diethardt, Florian Lierzer

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